Merkel will rasches Gesetz für heimliche Online-Durchsuchungen

Die Bundeskanzlerin macht sich für eine rasche Verabschiedung des neuen Anti-Terrorpakets für das BKA stark und mag Bundesinnenminister Schäuble auch bei seinen Plänen gegen "Gefährder" kein "Denkverbot" geben.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht sich für eine rasche Verabschiedung des neuen Anti-Terrorpakets für das Bundeskriminalamt (BKA) und die damit einhergehende Befugnis für heimliche Online-Durchsuchungen stark. Die Kanzlerin wolle, dass die umstrittene Novelle des BKA-Gesetzes in den nächsten Tagen unter Dach und Fach gebracht werde, sagte Regierungssprecher Thomas Steg am heutigen Montag laut Agenturmeldungen in Berlin. "Sie will sich auch selbst in die Gespräche einschalten und eine Verständigung herbeiführen." Ursprünglich hätte der Entwurf nach der Planung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble schon am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden sollen. Der CDU-Politiker war mit diesem Vorhaben aber am Widerstand des Koalitionspartners SPD gescheitert.

Die Regierungsfraktionen werfen sich gegenseitig vor, die Verabschiedung des BKA-Gesetzes zu verzögern. Ohne die Befugnis für die Netzbespitzelungen könne die Reform "sofort kommen", erklärte jüngst SPD-Fraktionsvize Fritz Rudolf Körper. Seine Partei würde dafür sogar prinzipiell kritische Punkte wie andere neue präventive Befugnisse für das BKA zur Telekommunikationsüberwachung, zur bislang wenig erfolgreichen Rasterfahndung oder zum großen Lauschangriff mittragen. Auch Steg wies nun darauf hin, dass mit Ausnahme der Regelung zur Ausforschung privater Computer und von Online-Speicherplattformen eine Verständigung erreicht sei. Die Notwendigkeit von Online-Durchsuchungen sieht die SPD dagegen noch nicht ausreichend belegt, die entsprechenden Verfahren hält sie für technisch unausgereift. Zudem will sie erst die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zu entsprechenden Möglichkeiten der Netzbespitzelung in Nordrhein-Westfalen abwarten.

Merkel will laut Steg nun ausloten, welche Möglichkeiten auf eine schnellstmögliche Einigung trotz der sich bislang nicht annähernden Fronten noch bestehen könnten. Beim Bundesinnenministerium heißt es aber, der Punkt der Online-Durchsuchungen sei nicht verhandelbar. Schäubles Gesetzesentwurf sieht vor, dass das BKA Netzüberwachungen und Durchsuchungen privater Computer durchführen darf, wenn die Gefahrenabwehr "auf andere Weise aussichtslos ist oder wesentlich erschwert wäre". Einen entsprechenden Antrag soll der BKA-Präsident oder einer seiner Vertreter stellen können. Ein Richter soll dann die tief in die Grundrechte einschneidende Maßnahme für zunächst drei Monate anordnen können. Bei "Gefahr in Verzug" ist vorgesehen, dass allein eine Anordnung des BKA-Präsidenten ausreicht, um den so genannten Bundestrojaner in Stellung zu bringen. Binnen drei Tagen sei aber auch in diesem Fall die Bestätigung der Maßnahme durch einen Richter einzuholen. Weiter ist geplant, dass die Vierteljahresfrist um "jeweils drei Monate" verlängert werden kann.

Die Kanzlerin äußerte sich über ihren Sprecher auch erstmals zum Streit über die jüngsten Überlegungen ihres Innenministers zum Umgang mit potenziellen Terroristen und "Gefährdern" Demnach habe man im Bundeskanzleramt keinen Zweifel daran, dass Schäuble "kein leichtfertiger Mensch" sei, sondern vielmehr "seine Worte mit Bedacht wählt". Angesichts einer "unbestreitbaren neuen terroristischen Bedrohung" dürfe es nach Meinung Merkels "weder Denkblockaden noch Denkverbote geben". Mit der konkreten, kurzfristigen Regierungspolitik hätten Schäubles Vorhaben, bei denen es etwa um ein Handy- und Internetverbot für Gefährder und die Schließung rechtlicher Lücken bei der gezielten Tötung möglicher Terroristen geht, aber nichts zu tun.

Auch die CDU-Spitze hat Schäuble Rückendeckung gegeben. Nach einer Präsidiumssitzung der Partei begrüßte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla laut dpa jüngste Überlegungen von Innenminister Wolfgang Schäuble zu weiteren Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus, ohne sie jedoch ausdrücklich im Einzelnen zu billigen. Für die verdeckten Online-Durchsuchungen und eine verstärkte Videoüberwachung plädierte die Parteiführung aber konkret. Pofalla befand es für richtig, dass der Innenminister ständig darüber nachdenke, wie das höchste Maß an Sicherheit geschaffen werden könne.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil erteilte Schäubles jüngsten Ansinnen dagegen eine klare Absage: Wer glaube, die Freiheitsrechte in diesem Land gleichsam komplett einschränken zu können, "der geht einen falschen Weg". Die Vorschläge des Ministers seien unerfreulich und könnten nicht ernst genommen werden. Eine "Militarisierung der Innenpolitik" werde es mit der SPD auf jeden Fall nicht geben. Nach der Grünen-Spitze zeigte sich derweil auch FDP-Chef Guido Westerwelle entsetzt und rief Schäuble auf, sich von seinen Überlegungen zu distanzieren. Die angestrebte "Guantánamoisierung" der deutschen Innenpolitik werde mit der FDP niemals eine Mehrheit finden. Die Erschießung auf Verdacht sei kein Mittel eines Rechtsstaats, sondern ein Gedanke des Feindstrafrechts.

Siehe dazu auch:

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)