WSIS: Nach dem Weltgipfel ist vor dem Internet-Forum

Der Weltgipfel zur Informationsgesellschaft, mit rund 30.000 Teilnehmern der größte UN-Gipfel überhaupt, ist beendet.

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  • Monika Ermert

Der Weltgipfel zur Informationsgesellschaft, mit rund 30.000 Teilnehmern der größte UN-Gipfel überhaupt, ist beendet. Nach der Annahme der 122 Paragraphen der Tunis Agenda für die Informationsgesellschaft schloss der tunesische Präsident Ben Ali in Tunis die zweite Gipfelphase. Die letzte Stunde des vor sieben Jahre gestarteten Gipfels entbehrte nicht einer gewissen Ironie: im großen Saal dankten die Regierungen mit vielen Worten Ben Ali. Im kleinen Pressesaal bewertete die für die Zivilgesellschaft angetretene Menschenrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi die Gipfelergebnisse mit deutlich kritischeren Tönen.

"Never again", hatten vorher Vertreter der sogenannten Cris Campaign gefordert, sollte ein Gipfel in einem Land stattfinden, das grundlegende Rechte nicht beachte. Der Bürgergipfel, der außerhalb der offiziellen Konferenz hätte stattfinden sollen, musste abgesagt werden. "Was in Peking im Jahr 1995 (beim Weltfrauengipfel, d. Red.) möglich war, war zehn Jahre später in Tunis nicht möglich", klagte Meryem Merzouki, vom Human Rights Caucus der Zivilgesellschaft. Die Bürgerrechtler fordern eine Untersuchung der Behinderungen und Attacken am Rande des Gipfels. Ebadi fordert die Einrichtung eines UN-Komittees, das sich um verhaftete Autoren kümmern soll.

Die ganz großen Sprünge hat der Gipfel eigentlich nicht gemacht. Bei den Finanzierungsfragen wurde die Hauptarbeit, so sagen Beobachter, schon in Genf geleistet. Der Digitale Solidaritätsfond ist aber gegen anfänglichen Widerstand als ein neues Finanzierungsmittel anerkannt, wenn auch mit derzeit 7 Millionen US-Dollar Einlage noch bei weitem nicht ausreichend gut bestückt. Auf Seiten der Zivilgesellschaft wurde anerkannt, dass in der Tunis Agenda doch auch anerkannt werde, dass es an manchen Stellen deutlicher staatlicher Unterstützung bedürfe. Den Wunsch nach größeren finanziellen Zusagen aber haben die Regierungen abgelehnt. Ebadi machte in ihrer Pressekonferenz allerdings auch darauf aufmerksam, dass manche Regierungen den digitalen Graben gar nicht schließen wollen. "Es ist leichter eine weniger gut ausgebildete Bevölkerung zu dominieren."

Beim härtesten Brocken der Verhandlungen, dem Thema Aufsicht über die Netzverwaltung, haben sich die Regierungen in letzter Minute auf einen Kompromiss geeinigt, der zunächst keine neue internationale Institution benennt. Aber sie haben doch zwei Prozesse durch UN Generalsekretär Kofi Annan in Gang gesetzt: Erstens soll die Zusammenarbeit zwischen und mit Internetverwaltern verbessert werden, was die gegnerischen Parteien - USA einerseits, Entwicklungsländer und auch EU andererseits - schon jetzt sehr unterschiedlich interpretieren. Zweitens soll bereits im kommenden Jahr das Internet Governance Forum in Griechenland gestartet werden.

Das Forum wurde allseits begrüßt. Regierungen hoffen hier auch die Debatte um die Netzverwaltung weiterführen zu können, ebenso wie über andere Fragen wie Cybercrime oder Spam. Die Zivilgesellschaft sieht im Forum die Anerkennung ihrer Beteiligung. Renata Bloem vom Dach der bei der UN akkreditierten NGOs (Conference of NGOs in Consultative Relationship with the United Nations, Congo) nannte den Prozess in dieser Sicht historisch. Nicht nur waren Nichtregierungsorganisationen in vielen Verhandlungsgruppen anwesend, mancher kluge Vorschlag fiel zudem auf fruchtbaren Boden. Der pakistanische Botschafter Masood Khan hob die Bedeutung des sogenannten Multistakeholderprozesses in der Abschlussrede der asiatischen Länder besonders hervor.

Fast noch mehr Anstrengungen hat die veranstaltende ITU sich bei der Übertragung des Gipfelereignisses ins Web gemacht. Verbesserungsbedarf gibt es freilich selbst da. Olaf Mittelstädt vom Hörbuch-Fördergremium Daisy-Forum nannte die WSIS-Webseiten nicht eben barrierefrei.

"Der Gipfel ist kein Event, er ist ein Prozess," sagte der Schweizer Bundesrat Moritz Leuenberger in seinem Schlusswort. Es gebe zwei Möglichkeiten für einen erfolgreichen Gipfel, entweder erklärten sich alle für Gewinner oder alle erklärten sich zu Verlierern. Leuenberger nannte die Debatten teilweise hart, das Ergebnis aber einen guten Ausgangspunkt. Khan sagte: "Wir sehen einander alle in Griechenland wieder."

Zum zweiten UN-Weltgipfel siehe auch:

Zu den Ergebnissen des 1. WSIS siehe auch:

(Monika Ermert) / (hps)