Große Resonanz auf US-Konsultation zur Netzneutralität

Die US-Regulierungsbehörde FCC hat 29.000 Eingaben zu ihrer Umfrage rund um eine mögliche gesetzliche Festschreibung des Prinzips des offenen Internet erhalten, auf die auch einzelne Senatoren und Webpioniere drängen.

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Die US-amerikanische Federal Communications Commission (FCC) hat rund 29.000 Eingaben zu ihrer im März gestarteten Umfrage zur Netzneutralität erhalten. Allein am gestrigen Montag, dem letzten Tag der Konsultation, gingen nach US-Medienberichten noch einmal 670 Stellungnahmen von besorgten Bürgern, Unternehmen und Lobbyverbänden bei der Regulierungsbehörde ein. Die große Resonanz zeigt, wie umstritten die mögliche gesetzliche Festschreibung des Prinzips des offenen Internet auch im Breitbandzeitalter in den USA nach wie vor ist. Vermutlich reagierten viele Interessensvertreter mit ihrer Teilnahme an der Befragung auch auf die jüngst getroffene Entscheidung der Federal Trade Commission (FTC), wonach eine gesonderte Verpflichtung der Anbieter zur Einhaltung der Netzneutralität nicht erforderlich ist. Laut der US-Handelsaufsicht verhindert der Wettbewerb unter den Netzbetreibern die Einführung einer "Breitbandmaut".

Befürworter einer gesetzlichen Festschreibung der Netzneutralität wie die Koalition Save the Internet hatten die Nutzergemeinde wiederholt dazu aufgerufen, sich an der Umfrage zu beteiligen. Die lose Lobbygruppe hatte zur Arbeitserleichterung eine "Kommentarmaschine" ins Web gestellt, aus denen sich im Baukastenprinzip aus vorgefertigten Textstücken eine eigene Stellungnahme zimmern ließ. "Schützen Sie unsere Rechte vor den Unternehmen", wandten sich dementsprechend viele Netzbürger gestern noch einmal an die FCC. Netzneutralität sei essenziell für die freie Meinungsäußerung, Chancengleichheit und ökonomische Innovation in Amerika. Andere unterstrichen die Bedeutung des offenen Internet für die Demokratie und stellten dem gegenüber, dass Konzerne und Multis demgegenüber nur auf ihre Profite und ihre Aktienhalter achten würden. Ein Lehrer sah zudem viele kleine innovative Websites rund um Ausbildungsthemen von der Gewährleistung eines offenen Netzwerks abhängen.

Die Gruppierung Hands off the Internet, der Firmen wie AT&T und Alcatel-Lucent sowie Organisationen wie die American Conservative Union angehören, erkannte in ihrer Stellungnahme dagegen ähnlich wie die FTC keine Notwendigkeit für neue Regulierungsvorstöße. Es gebe gegenwärtig keine unterschiedliche Behandlung von Inhalten im Netz oder Abstufungen beim Übertragungsdienst, welche ein Einschreiten der FCC oder des Gesetzgebers erforderlich machen würden. Entsprechende Entwicklungen seien auch gar nicht absehbar. Die Computer & Communications Industry Association (CCIA), der Technologiekonzerne wie Microsoft oder Google angehören, beklagte dagegen einen zu schwachen Wettbewerb unter Breitbandanbietern. Daher sei die Netzneutralität staatlich zu verankern.

Auch die Senatoren Olympia Snowe (Republikaner) und Byron Dorgan (Demokraten) wandten sich in einem Brief an den FCC-Vorsitzenden Kevin Martin. Ihnen zufolge ist das offene Internet "entscheidend für die Demokratie und das wirtschaftliche Wachstum der USA". Sollte dies nicht festgeschrieben werden, sei "die gewohnte Online-Erfahrung" von Millionen Nutzern in Gefahr. Die beiden Politiker hatten Anfang Januar ihren Entwurf für einen Internet Freedom Preservation Act neu in den US-Kongress eingebracht. Mit dem Vorstoß wollen die beiden Senatoren das Prinzip der Netzneutralität gesetzlich verankern. Der Entwurf will es Breitbandanbietern untersagen, den Zugang zu bestimmten Inhalten zu blockieren und ein "Zwei-Klassen-Internet" aufzubauen. Die Netzbetreiber würden auch daran gehindert, spezielle Vereinbarungen mit Inhalteanbietern für die schnellere oder garantierte Übertragung ihrer Daten abzuschließen.

Der Erfinder des World Wide Web, Tim Berners-Lee, hat sich in einem Interview ebenfalls erneut für die Netzneutralität stark gemacht. Er fürchtet insbesondere, dass Breitbandbetreiber künftig vergleichsweise offene, auf nutzergenerierte Inhalte setzende Videoplattformen wie YouTube blockieren, weil sie den Verkauf ihrer eigenen Online-Angebote für Bewegtbilder forcieren wollen. Kabelanbieter hätten zudem bereits versucht, die Nutzung der Internet-Telefonie zu unterbinden.

Verfechter einer Gewährleistung des Prinzips des offenen Internet wie Amazon.com, eBay, Google, Microsoft oder Yahoo fürchten in dem seit langem hitzig geführten Streit, dass Telekommunikationskonzerne und TV-Kabelanbieter das Internet in teure, mit Mautstationen abgesperrte Luxusbahnen und holprige Feldwege aufteilen wollen. Großen US-Breitbandanbietern und einigen europäischen Carriern wie der Deutschen Telekom geht es dagegen darum, für den Aufbau ihrer Hochgeschwindigkeitsnetze Inhalteanbieter für die zugesicherte oder besonders rasche Übertragung von Daten zur Kasse zu bitten. Sie wollen Möglichkeiten zur unterschiedlichen Behandlung des Datenverkehrs in ihren Backbones erhalten, abhängig etwa von Quelle, Dienst und Bandbreitenverbrauch.

Zur Auseinandersetzung um die Netzneutralität siehe auch die Hintergrundinformationen und die Übersicht zur bisherigen Berichterstattung in dem Online-Artikel in c't – Hintergrund:

(Stefan Krempl) / (jk)