Mängelliste des Atomkraftwerks Brunsbüttel steht im Netz

Unmittelbar nach Veröffentlichung der Liste bot Vattenfall-Europe-Chef Klaus Rauscher seinen Rücktritt an. Es seien Fehler gemacht worden, für die er als Vorsitzender des Vorstandes die Verantwortung zu tragen habe.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Die in Schleswig-Holstein für die Atomaufsicht zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht hat eigenen Angaben zufolge die Veröffentlichung einer bislang geheim gehaltenen Mängelliste des Energieversorgers Vattenfall zum Atomkraftwerk Brunsbüttel "erreicht". In der Mängelliste (PDF-Datei), die seit dem heutigen Mittwoch auch über das Internet abrufbar ist, werden insgesamt 707 Punkte aufgeführt, die seit einer periodischen Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) im AKW Brunsbüttel im Jahr 2001 offenbar nicht oder nur teilweise abgearbeitet wurden. Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe sind praktisch alle Kernbereiche der Reaktorsicherheit im AKW Brunsbüttel betroffen. Besonders kritisch seien nicht erbrachte Bruchsicherheitsnachweise im Rohrsystem, Werkstoffprobleme, Mängel in der Elektro- und Leittechnik, sowie die Verwundbarkeit gegen Terroranschläge.

Vattenfall hatte sich jahrelang juristisch gegen eine Veröffentlichung dieser Liste gewehrt, musste sich nach den jüngsten Vorfällen in den AKWs Krümmel und Brunsbüttel aber dem öffentlichen Druck beugen. Zum Stichtag 30. Juni 2006 werden in der Mängelliste mehr als 180 offene Punkte der Kategorie 2 aufgeführt – bei ihnen gab es also auch fünf Jahre nach der PSÜ noch ein "Nachweisdefizit, das kurzfristig zu beseitigen ist". Nach Angaben von Sozialministerin Trauernicht hat Vattenfall seit dem vergangenen Jahr aber zumindest "für über 100 dieser Punkte" abgeschlossene, positive Gutachter-Prüfergebnisse vorgelegt. Die übrigen Punkte befänden sich im laufenden Begutachtungsverfahren, teilte das schleswig-holsteinische Sozialministerium mit. Die Gutachten sollten bis Ende September abgeschlossen sein. Damit werde das gesamte Verfahren bis Ende des Jahres beendet sein.

In Brunsbüttel kam es Ende Juni aus bislang ungeklärter Ursache zu einem Kurzschluss in einer Schaltanlage, was zu einer Schnellabschaltung des AKWs führte. Beim Wiederanfahren des Kernkraftwerks wenige Tage später traten Störungen im Reaktorwasserreinigungssystem auf, für die laut Vattenfall Fehlbedienungen des Personals verantwortlich waren. Trotz Meldepflicht informierte der Betreiber die zuständigen Behörden aber erst Tage später über die Vorfälle. Auch im zweiten von Vattenfall in Deutschland betriebenen Kernkraftwerk kam es Ende Juni zu einer Schnellabschaltung. Nach dem Brand eines Transformators im Atomkraftwerk Krümmel war der Kernreaktor automatisch heruntergefahren worden. Bei Untersuchungen stellte sich zudem heraus, dass im Anlagebereich nicht vorschriftsmäßige Dübel verwendet wurden.

Als Folge der Pannenserie rollen bei Vattenfall inzwischen die Köpfe: Nachdem sich das schwedische Unternehmen am Montag bereits von Atom-Sparten-Leiter Bruno Thomauske und Konzernsprecher Johannes Altmeppen getrennt hatte, stellte Vattenfall-Europe-Chef Klaus Rauscher am heutigen Mittwoch sein Amt zur Verfügung. Rauscher erklärte, es sei nicht zu verkennen, dass die Vorgänge der vergangenen Wochen dem Ansehen von Vattenfall Europe geschadet hätten. Es seien Fehler gemacht worden, für die er als Vorsitzender des Vorstandes die Verantwortung zu tragen habe, gestand er ein. Das Unternehmen müsse nun vor allem mit Blick auf seine Kunden, Aktionäre und Mitarbeiter verloren gegangenes Vertrauen rasch zurückgewinnen. Um einem solchen Neuanfang nicht im Wege zu stehen, biete er an, sein Amt zur Verfügung zu stellen. (pmz)