Softwarepatent-Gegner weist europa-politische Auszeichnung zurück

Der Gründer der Initiative NoSoftwarePatents.com, Florian Müller, hat den ihm bereits überreichten Preis als europäischer "Kampagnenführer des Jahres" kurzerhand zurückgegeben.

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Am gestrigen Dienstagabend kam es zu einem Eklat bei der Verleihung des Preises "Europäer des Jahres" im noblen Palais d'Egmont in Brüssel: Florian Müller, Gründer der Initiative NoSoftwarePatents.com, wies die ihm zugedachte Auszeichnung in der Kategorie "Kampagnenführer des Jahres" im Lauf des Abends zurück. Er hatte sich in einer Online-Abstimmung gegen prominente Konkurrenten wie U2-Sänger Bono Vox oder den Live8-Organisator Bob Geldof durchsetzen können und den Preis im Rahmen der Gala-Veranstaltung zunächst in Empfang genommen. Nachdem aber der Luxemburger Ministerpräsident Jean-Claude Juncker die übergeordnete Hauptauszeichnung "Europäer des Jahres" erhielt, entschloss sich Müller kurz vor dem obligatorischen Preisträgerfoto, seine Ehrung nicht zu akzeptieren.

Zu den Motiven für seine Entscheidung wollte sich der Softwarepatent-Kritiker gegenüber heise online zunächst "aus rechtlichen Gründen" nicht konkret äußern. Er kündigte eine spätere ausführliche Erklärung an. Den europapolitischen Award verleiht das Magazin European Voice aus der Gruppe des britischen Wirtschaftsmagazins "The Economist" alljährlich mit Unterstützung von Microsoft, der Lobby-und PR-Agentur Burson-Marsteller und Novartis. Müller hatte sich im Vorfeld der Verleihung gute Chancen ausgerechnet, selbst zum "Europäer des Jahres" gekürt zu werden. Eine Doppelauszeichnung in mehreren Kategorien ist bei dem Polit-Preis jedoch nicht möglich. Der Kampagnenleiter gab an, zunächst schwere Bedenken gegen die Rückgabe des Preises gehabt zu haben: Nicht nur, weil vor ihm viele berühmte Persönlichkeiten damit geehrt worden seien, sondern vor allem auch, weil er seine zahlreichen Unterstützer, die für ihn gestimmt hatten, nicht enttäuschen wollte.

Die Luxemburger Regierung hatte sich allerdings im ersten Halbjahr 2005 bei Softwarepatent-Gegnern unbeliebt gemacht. Unter ihrer Präsidentschaft verabschiedete der EU-Rat offiziell seine heftig umstrittene Version der Richtlinie zum Patentschutz für "computerimplementierte Erfindungen" inmitten zahlreicher formaler Ungereimtheiten und trotz großer Widerstände in den eigenen Reihen. Das EU-Parlament wies den Vorschlag der Minister im Juli daraufhin mit großer Mehrheit entschieden zurück.

Im Gegensatz zu Müller akzeptierte Michel Rocard, der Berichterstatter für die gescheiterte Softwarepatentrichtlinie, die Auszeichnung in der Kategorie "Parlamentsmitglied des Jahres". Auch er hatte sich vehement für eine Entschärfung der von der EU-Kommission und dem EU-Rat geplanten freizügigeren Vergabe von Monopolansprüchen auf Computercode eingesetzt und zu guter letzt die Ablehnung des Gesetzesentwurfs unterstützt. Rocard verwies in seiner gestrigen Dankesrede aber mehrfach auf den Preis-Sponsor Microsoft und erinnerte daran, dass sich der Softwarekonzern entgegen Rocards Bestrebungen massiv für die Ratsversion der Softwarepatent-Richtlinie stark gemacht habe. Den Redmondern und dem für das Gesetzesvorhaben federführend verantwortlichen EU-Kommissar Charlie McCreevy gab er mit auf den Weg: "Sie werden entdecken, dass wir Recht hatten" mit der Zurückweisung des Richtlinienvorschlags.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):

(Stefan Krempl) / (jk)