Noch kein weißer Rauch beim Netz-Konklave

Bei der UN-Arbeitsgruppe Internet Governance geht es ans Eingemachte: Die Frage steht zur Diskussion, wer in Zukunft die Aufsicht über die Verwaltung der Internet-Infrastruktur hat.

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Von
  • Monika Ermert

Bei der UN-Arbeitsgruppe Internet Governance (WGIG) geht es ans Eingemachte: Die Frage steht zur Diskussion, wer in Zukunft die Aufsicht über die Verwaltung der Internet-Infrastruktur hat. Doch auch beim dritten Zusammentreffen der von UN Generalsekretär Kofi Annan nach dem ersten Weltgipfel der Informationsgesellschaft  (WSIS) eingesetzten 40-köpfigen WGIG, die am heutigen Mittwoch in Genf zu Ende ging, wartete man vergeblich auf "weißen Rauch". Möglicherweise, sagte Markus Kummer, der rührige Chef des WGIG-Sekretariates, wird die Arbeitsgruppe den Regierungsvertretern beim nächsten Weltgipfel der Informationsgesellschaft mehrere Optionen präsentieren. Denn auch innerhalb der Arbeitsgruppe gibt es verschiedene Meinungen dazu, welches Modell am besten geeignet ist. Mehr Einigkeit herrscht darin, dass man gemeinsam etwas gegen Spam tun muss. Die Unterhaltungsindustrie zeigt sich dagegen besorgt darüber, dass man das Piraterieproblem unterschätze.

In den der WGIG-Sitzung vorangegangenen öffentlichen Sitzungen hatten die Kritiker der aktuellen DNS-Verwaltung ICANN noch einmal Stimmung gemacht gegen die Dominanz der US-Regierung. Indien, China und Südafrika fordern vehement, dass die US-Regierung die Aufsicht über die ICANN an eine internationale Organisation unter dem Dach der UN abgibt. Dabei gehe es nicht um Entscheidungen im täglichen Geschäft der DNS-Verwaltung. Derzeit würden aber Entscheidungen, die Regierungsebene erreichen, eben nur an eine Regierung gehen.

Die syrische Delegation wird nicht müde, für die International Telecommunication Union (ITU) als Internet-Verwaltung zu werben, findet damit allerdings ganz offensichtlich wenig Widerhall bei der WGIG. Den ersten tatsächlich konkreten Vorschlag aus der WGIG, die "United Nations Internet Governance Communication Group" soll nach dem Vorschlag des Völkerrechtlers und Telepolis-Autors Wolfgang Kleinwächter einen jährlichen Welt-Internetbericht verfassen und als Missbrauchsaufsicht und praktisch letzte Autorität für Selbstverwaltungsorganisationen wie die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) dienen. Dies wies der syrische Vertreter harsch zurück.

Bei allen Überlegungen sei klar, erklärte der indische Vertreter, "dass wir die US-Regierung dazu brauchen." Doch die US-Delegation lässt sich zu einem klaren Bekenntnis in den Sitzungen einfach nicht bewegen, obwohl man weiß, dass man in dieser Frage unabhängig vom künftigen Modell eigentlich fast alle Regierungen gegen sich hat. Isabelle Marinov bekräftigte für die EU ebenso wie der norwegische Vertreter die Forderungen nach einer Internationalisierung. Letzterer kritisierte in diesem Zusammenhang auch den jüngst veröffentlichten Bericht der National Academy of Science. Darin wird betont, dass eine internationale Regierungsorganisation als DNS-Aufsicht nicht durchsetzbar sei.

Eine künftige gewichtigere Rolle der Regierungen bei der Internet-Verwaltung gehört allerdings auch zu den Punkten, über die sich die Mehrzahl der Regierungen einig ist. Die Beraterrolle, die ihnen innerhalb der unter US-Schutz stehenden ICANN eingeräumt wird, passt vielen nicht. Dabei dürfte auch der Hinweis des deutschen Juristen Klaus Grewlich nicht viel ändern, dass Staaten zwar nach wie vor entscheidende Akteure sind, im Alltag der Regelung verschiedener Prozesse durchaus in der Konkurrenz zu "ausländischen, internationalen und privaten Akteuren stehen" , beziehungsweise sich mit diesen in Koregulierungs-Regimen zusammentun. Grewlich ist deutscher Regierungsvertreter in der UN ICT Task Force, die selbst an einem Modell für die künftige globale Internet-Aufsicht arbeitet. Gedacht sei dabei, erklärte Grewlich auf Anfrage von heise online, an ein "offenes, hochrangiges und klar mandatiertes" neues Gremium. Nicht zu vergessen ist dabei, dass auch die OECD eigens eine Seite zu "Internet Governance" eingerichtet hat. Am Ende werden die Regierungschefs beim zweiten Weltgipfel der Informationsgesellschaft im November, bei dem eigentlich eine Entscheidung fallen soll, vermutlich so viele Modelle vorliegen haben, dass man auch dann vergeblich auf weißen Rauch wartet.

Siehe zu dem Thema auch:

(Monika Ermert) / (jk)