IT-Branchenverband kritisiert geplante Neuregelung des Rundfunkrechts

Der Bitkom moniert im Entwurf für den 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag der Länder unter anderem ungünstige Rahmenbedingungen fürs Handy-TV, Möglichkeiten zur Ausdehnung für ARD und ZDF sowie eine neue GEZ-Klausel.

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Der Bitkom hat im Vorfeld einer Anhörung in Berlin am morgigen Donnerstag umfangreichen Nachbesserungsbedarf am Entwurf (PDF-Datei) für den 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrags (RfÄStV) der Länder angemeldet. Der IT-Branchenverband erkennt in einer Stellungnahme zwar grundsätzlich das Bestreben der Medienpolitiker an, "das deutsche Rundfunkrecht den gewandelten technologischen und wettbewerblichen Rahmenbedingungen anzupassen und die Behandlung neuer Übertragungswege und der damit aufkommenden neuen Geschäftsmodelle in die Überlegungen zur Novellierung einzubeziehen". Zugleich beanstandet die Lobbyvereinigung aber etwa, dass der Vorschlag ungünstige Rahmenbedingungen fürs Handy-TV, Möglichkeiten zur Ausdehnung für ARD und ZDF sowie eine neue GEZ-Klausel enthält.

Die Länder haben vor Kurzem ihren Entwurf für die Neufassung des Rundfunkänderungsstaatsvertrags Fachkreisen vorgelegt. Die geplanten Änderungen des umfangreichen Regelwerks beschäftigen sich vor allem mit der Digitalisierung der Übertragungswege. Sie betreffen hauptsächlich die Regulierung so genannter Plattformen wie etwa rund um den Standard DVB-H fürs Fernsehen übers Mobiltelefon, die Zulassung von bundesweit verbreitetem Rundfunk mit entsprechenden Kapazitätszuweisungen sowie die Neuorganisation der Medienaufsicht. Dabei soll vor allem die Konzentrationsaufsicht im Rahmen einer Neustrukturierung der Landesmedienanstalten anders aufgestellt werden.

Der Bitkom bedauert, dass der Entwurf einen generellen Ansatz einer allgemeinen Plattformregulierung wählt, statt sich zunächst auf die Ermöglichung eines DVB-H Regelbetriebs zu konzentrieren. So werde die Diskussion grundlegender Fragen der künftigen Rundfunkregulierung im digitalen Umfeld einem starken Zeitdruck unterworfen. Das Papier übertrage dabei in wesentlichen Punkten bestehende Regulierungsmechanismen auf neue Übertragungswege und Dienste, ohne jeweils im Einzelnen den tatsächlichen Regulierungsbedarf vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Legitimation der Rundfunkregulierung zu beleuchten. Dringend erforderlich sei aber angesichts der stark gewandelten Medienlandschaft des digitalen Zeitalters eine Liberalisierung des Rundfunkrechts.

Konkret wendet sich der Bitkom ­ mit Ausnahme seines Mitglieds Bertelsmann ­ auch gegen das undifferenzierte "Must-Carry-Regime" für TV-Sender und Programmbouquets, die vorgesehene, aber wohl mit dem TK-Recht kollidierende rundfunkrechtliche Entgeltregulierung sowie die Regelung zur Zugangsfreiheit. Bei letzterer würde das Papier etwa Fragen der Normung von Schnittstellen unter anderem für elektronische Programmführer oder die Bereitstellung von Zugangsberechtigungssystemen behandeln, was einer medienrechtlichen Relevanz entbehre. Soweit der Entwurf nach einer medienkonzentrationsrechtlichen Behandlung von Plattformen fragt, weist der Bitkom zunächst auf die aus seiner Sicht intransparente und defizitäre aktuelle Praxis der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) hin. Dabei würden im Rahmen der Prüfung von Senderlizenzen auch Plattformverträge einbezogen, sodass faktisch eine Kontrolle der gar nicht am jeweiligen Verfahren beteiligten Plattformbetreiber stattfinde. Darüber hinaus erkennt der Verband in der Tätigkeit der Plattformbetreiber keinen messbaren Einfluss auf die Meinungsmacht, womit es auch keinen Grund für einen entsprechenden medienordnungsrechtlichen Tatbestand gäbe.

Überdies wendet sich der Bitkom gegen verschiedene im Entwurf vorgesehene Formulierungen, die auf eine Ausdehnung des Funktionsauftrages der öffentlich-rechtlichen Anstalten etwa zur Nutzung aller technischer Übertragungswege ohne Vorbehalt hinauslaufen könnten. Er bedauert, dass die Klarstellung für die Basis des Wirkens von ARD und ZDF dem 11. RfÄStV vorbehalten werde. Die Neudefinition, warnt der Verband, sollte keinesfalls im Rahmen der aktuellen Diskussion bereits in die Richtung der "extensiven Digitalstrategie" der öffentlich-rechtlichen Anstalten gelenkt werden.

Schließlich hält der Bitkom die vorgesehene "weitreichende datenschutzrechtliche Ermächtigung, die im Kern wohl die Beteiligung der GEZ am kommerziellen Adresshandel legitimieren soll, für unverhältnismäßig". Die umfassende Abfrage personenbezogener Daten bei nichtöffentlichen Stellen durch die Gebühreneinzugszentrale ohne Kenntnis des Betroffenen stelle einen erheblichen, nicht gerechtfertigten Grundrechtseingriff dar. Insgesamt sei die Erhebungsbefugnis zu weit geraten, da die Voraussetzung der Geeignetheit zum Rückschluss auf eine Gebührenpflicht keinerlei klare Begrenzungskriterien enthalte. Dies sei problematisch, weil die Ermächtigung nicht nur einfache Bestandsdaten, sondern insbesondere­ wiederum nur höchst vage eingegrenzt­ auch die "Zugehörigkeit des Betroffenen zu einer bestimmten Personengruppe" sowie "Berufs-, Branchen- oder Geschäftsbezeichnungen" erfassen soll.

Der Bitkom weist dabei nochmals darauf hin, dass das gesamte System der Finanzierung des öffentlichen Rundfunks und vor allem das gerätebezogene Erhebungsverfahren einer grundlegenden Reform bedürfe. Die vorgesehene neue datenschutzrechtliche Ermächtigung setze vor diesem Hintergrund ein grundlegend falsches Signal. Die vorgesehene Möglichkeit zur Beschaffung von Adressdaten auf dem freien Markt durch die GEZ stieß auch bereits auf den Widerstand von Datenschützern.

Unterdessen diskutieren die Gremien der Landesmedienanstalten auch Änderungen am so genannten 3. Strukturpapier zur Unterscheidung von Rundfunk und Mediendiensten. Einig ist man sich, dass Rundfunkangebote, die über das Internet übertragen oder über das Internetprotokoll in anderen Übertragungswegen verbreitet werden (IPTV), grundsätzlich Rundfunk sind. Allerdings könne die Art der technischen Verbreitung und die Zahl der gleichzeitigen Zugriffe oder der Sendeumfang zu der Bewertung führen, dass noch kein volles Rundfunkprogramm vorliegt. Die offenen Fragen zur Lizenzpflicht und Aufsicht müssen noch erörtert werden. Elektronische Presse wird dagegen generell als Telemedium mit weniger Regulierungsauflagen bewertet. Besondere Abgrenzungsschwierigkeiten dürften so bei einer Mischung aus so genannten linearen und nicht-linearen, individuell abrufbaren Angeboten auftreten, wie es etwa bei Online-Zeitungen mit Bewegtbildern vorkommt. (Stefan Krempl) / (pmz)