RoboCup-WM:Romane als Vorbild

Vor dem offiziellen Start der Turniere am heutigen Dienstag um 18 Uhr (MEZ) laufen noch hektische Vorbereitungen. Transportkisten treffen ein und werden von den Teams sogleich ausgepackt, um die Roboter fürs Turnier fertig zu machen. Auch die Spielfelder und Arenen sind noch nicht alle fertig aufgebaut. heise online hatte dennoch Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem organisatorischen Leiter der RoboCup-WM, Jesús Savage.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Auch vor Beginn der Wettkämpfe herrscht in den RoboCup-Hallen bereits rege Betriebsamkeit.
heise online: Herr Savage, der Mitbegründer des RoboCup, Hiroaki Kitano, sagte mir einmal, dass es ein besonderer Moment gewesen sei, als beim ersten Turnier die Teilnehmer eintrafen und das große Projekt Wirklichkeit wurde. Erleben Sie das jetzt ähnlich?

Savage: Ja, es sind nicht nur die Teilnehmer, die jetzt ankommen. Auch als ich sah, wie die Spielfelder und all die Aufbauten Gestalt annahmen, war ich sehr glücklich. Die Teilnehmer scheinen auch sehr zufrieden zu sein mit dem, was wir hier geleistet haben.

Die RoboCup@home-Arena, einer mexikanischen Hacienda nachgebildet, bekommt den letzten Schliff. Lebende Hühner werden nicht darin herumlaufen, aber aus dem Brunnen im Zentrum soll in den kommenden Tagen eine Wasserfontäne sprudeln.
heise online: Was war für Sie die größte Herausforderung bei der Organisation dieser Veranstaltung?

Savage: Es ist natürlich nicht einfach, so eine große Gruppe von Menschen zu koordinieren. Doch die größte Herausforderung war die Finanzierung. Von mehreren Seiten war uns Geld versprochen worden, das wir sehr mühsam einfordern mussten. Manchmal war derjenige, der uns Geldmittel zugesagt hatte, nicht mehr da und wir mussten den Nachfolger erneut überzeugen. Erst vor einem Monat war die Finanzierung komplett. Die letzten Zahlungen kamen vor einer Woche. Das war sehr hart.

heise online: Gibt es in technischer Hinsicht gegenwärtig beherrschende Themen beim RoboCup?

Savage: Das Tohoku-Erdbeben vor über einem Jahr in Japan hat zu einem verstärkten Interesse an der Rescue League geführt. So hat auch die US-Militärforschungsbehörde Darpa kürzlich einen Wettbewerb ausgeschrieben, in dem es darum geht, humanoide Roboter zu konstruieren, die in der Lage sind, einen Rettungswagen oder einen Feuerwehrwagen zu fahren und am Unglücksort nach Opfern oder Brandherden zu suchen.

In der Kid-Size-Klasse der Humanoid League verwenden immer mehr Teams den Roboter Darwin.

heise online: Gibt es bei den anderen Ligen bestimmte Fragestellungen, die im Mittelpunkt stehen?

Savage: Bei RoboCup@home haben die Fähigkeiten der Teams generell zugenommen. Haben Sie die Arena schon gesehen?

heise online:
Ja, sie ist sehr gelungen, wie eine mexikanische Hacienda.

Savage:
Wir wollten lebende Hühner darin frei herumlaufen lassen, wie in einer richtigen Hacienda. Die Roboter hätten ihnen ausweichen müssen, was durch neue Technik wie die Kinect-Kamera deutlich leichter geworden ist. Leider haben wir dafür keine Genehmigung bekommen.

In der Teen-Size-Klasse der Humanoid League könnte dieser Roboter, entwickelt vom Team NimbRo zusammen mit der Firma Robotis, für neuen Schwung sorgen.

heise online:
Wie sieht es beim Fußballwettbewerb der Middle Size League aus?

Savage: Da haben wir leider weniger Teams als in früheren Jahren. Die Roboter sind groß, der Transport ist teuer und die meisten Teams kommen aus Europa. Es werden daher nur fünf Teams am Wettbewerb teilnehmen.

heise online:
Demnach verlagert sich der Fußballwettbewerb mehr und mehr zu den humanoiden Robotern?

Savage: Ja, es gibt dort auch Bestrebungen, eine Art Standardroboter für die Teen Size anzubieten, um den Wettbewerb voranzubringen, ähnlich dem Roboter "Darwin" in der Kid Size.

heise online: Bei meinem Rundgang eben habe ich in der Tat viele Darwins auf den Tischen gesehen, deutlich mehr als letztes Jahr. Dieser Roboter scheint demnach sehr erfolgreich zu sein.

Savage: Ja, das ist ein sehr gutes Design.

heise online
: Was bedeutet der RoboCup für Sie persönlich?

Savage: Das erste Mal habe ich im Jahr 2006 in Bremen teilgenommen. Dort habe ich auch den Nachwuchswettbewerb RoboCup Junior gesehen, mit vielen Teams aus China, Deutschland, USA und vielen anderen Ländern. Was meinen Sie, wie viele Teams aus Mexiko teilgenommen haben?

Auch die Nao-Roboter der Firma Aldebaran erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Mit ihnen wird in der Standard Platform League gespielt. Die Teams dürfen an der Hardware nichts verändern, es geht ausschließlich um die Programmierung.

heise online: Wahrscheinlich kein einziges.

Savage: Genau, null. Auch aus anderen lateinamerikanischen Ländern war kein Team dabei. Doch dann haben wir lokale Turniere durchgeführt. Heute freue ich mich, Ihnen sagen zu können, dass sich 18 mexikanische Juniorteams mit 124 Teilnehmern für den Wettbewerb angemeldet haben und 13 Teams mit 90 Teilnehmern aus Brasilien. Die erste RoboCup-Weltmeisterschaft in Lateinamerika hilft uns, junge Leute für Technologie zu interessieren.

heise online: Der Begriff "Roboter" stammt aus der Science-Fiction, er wurde zum ersten Mal 1921 von Karel Capek in seinem Bühnenstück "R.U.R." verwendet. Was bedeutet das für Sie als Wissenschaftler?

Savage: Als Teenager hatte ich einen Lehrer, der uns empfahl, die "Mars-Chroniken" von Ray Bradbury zu lesen. In einer dieser Geschichten kommt ein Roboterschwarm vor, der das Haus reinigt. Als ich das las, wollte ich wissen, wie sich so etwas realisieren lässt. Später, als ich mich für ein Studienfach an der Universität entscheiden musste, wollte ich zunächst Chemie studieren. Doch dann sah ich den Film "2001: Odyssee im Weltraum", in dem die Astronauten mit dem Bordcomputer sprechen, und habe mich für die Informatik entschieden.

Wer beim RoboCup etwas erreichen will, muss mit seiner Energie gut haushalten. Ein Nickerchen zwischendurch kann das Wunder wirken.

heise online: Außer dem ungarischen Autor Jozsef Cserna, dessen Geschichte "Futballmeccs" von 1967 bisher leider nicht übersetzt wurde, ist mir allerdings kein Science-Fiction-Autor bekannt, der von Fußball spielenden Robotern erzählt hätte. Ist das ein schlechtes Zeichen für das Ziel des RoboCup, bis zum Jahr 2050 die Fußball-WM zu gewinnen?

Savage:
Ray Bradbury hat die "Mars-Chroniken" 1950 veröffentlicht. Heute gibt es den "Roomba"-Roboter, der das Haus reinigt, ganz ähnlich, wie Bradbury sich das vorgestellt hat. Innerhalb von gut 50 Jahren hat sich dieser Traum erfüllt. Der Traum von Robotern, die mit Menschen Fußball spielen, könnte in noch kürzerer Zeit Wirklichkeit werden.
(dab)