WOS 4: Geldverdienen mit freier Musik funktioniert

Netlabels haben nach eigenem Bekunden Wege gefunden, um auf "Open Content" tragbare Geschäftsmodelle aufzubauen und sich trotzdem von traditionellen Plattenfirmen abzuheben.

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Netlabels haben nach eigenem Bekunden Wege gefunden, um auf "Open Content" tragbare Geschäftsmodelle aufzubauen und sich trotzdem von traditionellen Plattenfirmen abzuheben. "Es scheint zu funktionieren", freute sich John Buckman, Gründer der im kalifornischen Berkeley beheimateten Musikplattform Magnatune, am gestrigen Donnerstag auf der Konferenz Wizards of OS 4 (WOS 4) in Berlin über den Erfolg der Webseite. Er bezeichnete sein Angebot verallgemeinernd als "ein Modell für die Kommerzialisierung von Open Source" im Inhaltebereich. Das Besondere an dem Online-Musikdienst: Alle dort angebotenen Songs stehen unter einer "Creative Commons"-Lizenz (CC) und können für den nicht-kommerziellen Gebrauch frei heruntergeladen und später auch in Tauschbörsen angeboten werden. Immerhin 2,5 Prozent der Besucher des Portals kaufen laut Buckman aber CDs und zahlen dafür durchschnittlich 9,50 US-Dollar für die Musik.

Magnatune bezeichnet sich als "Open Music Record Label". Im Prinzip wäre die Musikindustrie "verhasst", sagt Buckman, das Geschäft gelte als "schmutzig". Es gehe daher darum, die "offene Natur" des Internet zu "umarmen" und Nutzern mehr Freiheiten zu geben. Creative Commons hält er dabei für den richtigen Weg. Die auch für Deutschland adaptierten Lizenzformen sollen einen großen Pool an Medieninhalten schaffen, die komplett oder für nicht-kommerzielle Zwecke zum freien Download und zum Remixen freigegeben sind. Anders als beim Urheberrecht oder beim Copyright US-amerikanischer Prägung behalten sich die Künstler dabei nur einige ihrer Rechte vor, während sie die Nutzungsmöglichkeiten für Dritte erhöhen.

Bei Magnatune kostet die kommerzielle Verwendung der Songs, was laut Buckman gut angenommen wird. "Wir lizenzieren mehr Musik online als jeder andere Anbieter", berichtet Buckman. Allein 50 Filme würden über die Plattform monatlich mit musikalischer Untermalung bestückt. "Die Leute können die Musik in der nicht-gewerblichen Entwicklungsphase zunächst frei einbauen und im Fall des Vertriebs für einen niedrigen Preis lizenzieren", erläutert Buckman die Bedeutung des Business-2-Business-Geschäfts. Die Verkäufe an Verbraucher machen seinen Angaben nach "nur" 50 Prozent der Umsätze aus, seien aber wichtig als Schaufenster nach außen.

An der Entwicklung eines Geschäftsmodells arbeitet auch das deutsche Netlabel Thinner, das sich ganz der elektronischen Musik verschrieben hat. Nach fünf Jahren im Netz gehe es darum, Vergütungsmöglichkeiten für die Musiker zu finden und angesichts von inzwischen zehn beschäftigten Mitarbeitern profitorientiert zu arbeiten, gab Mitgründer Sebastian Redenz aus Mannheim als Parole aus. Dabei hält er nichts davon, bislang kostenlos abgegebene MP3s mit einem Preisschild zu versehen, wie es andere Netlabel wie Sinergy in Angriff genommen haben. Redenz will vielmehr entweder Werbung auf die Plattform nehmen oder Lizenzen, Klingeltöne oder CDS und Vinyl-Platten verkaufen, und nicht auf Spenden via PayPal setzen.

Grundsätzliche Erfolgsfaktoren für Internet-Musikdienste zeigte Moritz "mo." Sauer aus Köln auf, der das Magazin Phlow.net und das Verzeichnis Netlabels.org betreibt. Für ihn ist eine redaktionelle Auswahl von Songs und die graphische Ausschmückung der Angebote wichtig. Hilfreich sei ferner der Aufbau von Kontakten etwa zu Rundfunksendern und zur lokalen Musikszene über die Pflege einer Online-Fangemeinde mit Hilfe von Blogs oder Foren hinaus. Generell würden Netlabel von der "Aufmerksamkeitsökonomie" profitieren, durch das Verschenken von Musik also zunächst einmal Werbung für sich machen und damit potenziell größere Interessentenkreise anziehen. Ein genereller Vorteil der Online-Musikdistributoren sei auch, dass sie auf Restriktionen durch Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) verzichten.

Musiker und Vertreter internationaler CC-Vertreter beklagten die schwierige Zusammenarbeit mit Verwertungsgesellschaften. Die GEMA gestattet es den von ihr vertretenen Künstlern nicht, Werke unter offenen Lizenzen zu vertreiben. Aussteiger sind von finanziellen Rückflüssen über die urheberrechtliche Vergütungspauschale ausgeschlossen. Laut Olivier Schubaum, dem Gründer der Dienste Platoniq.net und Burn Station, müssen Netlabels aber die klassischen Vertriebs- und Organisationsformen noch weiter verlassen, Musik etwa nicht mehr nach einzelnen Künstlern und Alben gruppieren. Auch die CC-Lizenzen hält Schubaum für zu restriktiv, da sie häufig kein Sampling erlauben. Man könne CC als "Kontrollwerkzeug" wie DRM begreifen und überwachen, wer die Stücke wie verwende, argwöhnte der Gegner des klassischen Konzepts des Urheberrechts. Besser sei es, Lizenzen wie die GPL (GNU General Public License) auf Musik zu übertragen.

Zur Wizards of OS 4 siehe auch

(Stefan Krempl) / (anw)