US-Report: Netzneutralität gefährdet E-Health

Die US Internet Industry Association (USIIA) warnt, dass eine gesetzliche Festschreibung des Prinzips des offenen Internet elektronische Dienste im Gesundheitswesen und telemedizinische Anwendungen behindern könnte.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 54 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Die US Internet Industry Association (USIIA) hat sich in die Reihe der Kritiker einer gesetzlichen Festschreibung der so genannten Netzneutralität eingereiht. Die 13 Jahre alte Branchenvereinigung warnt in einem gerade veröffentlichen Report über "E-Health and America's Broadband Networks" (PDF-Datei), dass eine Verpflichtung der Breitbandanbieter auf das Prinzip des offenen Internet elektronische Dienste im Gesundheitswesen und telemedizinische Anwendungen behindern könnte. Amerikanische Verbraucher sollten nicht zum Akzeptieren eines undifferenzierten "Pauschalangebots" für einen Hochgeschwindigkeitszugang zum Netz gezwungen werden, betont USIIA-Präsident David McClure in dem 14-seitigen Papier. Sonst würden "die kritische medizinische Kontrolle und Gesundheitsversorgung auf der gleichen Ebene wie Musik- und Video-Downloads oder nicht-kritische Kommunikationsformen behandelt".

Laut McClure haben sich Befürworter starker Netzneutralitätsregeln darauf konzentriert, die Verbindung zwischen den Nutzern und dem Netzwerk so zu gestalten, dass nur eine unterschiedslose Behandlung des Datenverkehrs in Frage kommen solle. Dies würde aber die Fähigkeit der Netzwerkbetreiber einschränken, ihre Infrastrukturen gemäß den Interessen ihrer Kunden auszugestalten. Auch neue Geschäftsmodelle rund um E-Health-Dienste wie elektronische Patientenakten, Fernüberwachung von Kranken oder Tele-Diagnosen wären nicht möglich, wenn allein der Endnutzer und nicht die Anbieter entsprechender Anwendungen zusätzlich für "Qualitätsverbesserungen" in den Netzwerken zur Kasse gebeten werden könnten.

Großen US-Breitbandanbietern wie dem zur USIIA gehörenden Konzern Verizon und einigen europäischen Carriern wie der Deutschen Telekom geht es in dem in den USA und verstärkt auch in Europa hitzig ausgetragenen Streit um die Netzneutralität darum, im Rahmen des Aufbaus ihrer Hochgeschwindigkeitsnetze Inhalteanbieter für die besonders rasche oder auch nur für die zugesicherte Übertragung von Daten zur Kasse zu bitten. Sie wollen zudem Möglichkeiten zur unterschiedlichen Behandlung des Datenverkehrs in ihren Backbones erhalten, abhängig etwa von Quelle, Dienst und Bandbreitenverbrauch.

Die nach Regulierungsauflagen rufende Gegenseite, zu der Netzgrößen wie Amazon.com, Google, Microsoft oder Yahoo gehören, fürchten dagegen, dass Telekommunikationsgiganten und TV-Kabelanbieter das Internet in teure, mit Mautstationen abgesperrte Luxusbahnen und holprige Feldwege aufteilen. Durch ein solches Zwei-Klassen-Netz sehen sie Wettbewerb und Innovation gefährdet. Mit dem neuen Argument der Netzneutralitätsgegner unter dem E-Health-Aspekt wollen diese nun unter anderem darauf hinweisen, dass sie Anbietern im Gesundheitsmarkt und Kliniken bei einer geänderten Gesetzeslage eventuell keine abgeschotteten "Virtual Private Networks" (VPN) mehr verkaufen könnten. Potenziell bandbreitenhungrige Anwendungen wie der Austausch umfassender elektronischen Patientenakten wären dann schwieriger zu realisieren.

Netzneutralitätsbefürworter wie Google haben nach eigenen Angaben aber nichts dagegen, wenn Breitbandanbieter alle Anwendungen einer gewissen allgemeinen Sorte wie etwa Video-Streaming oder Internetfernsehen mit einer besonderen Priorität behandeln würden. Wogegen der Suchmaschinenprimus aber weiter ankämpfen will, ist etwa das Aufschlagen von Mehrpreisen für Content-Anbieter. Zur Verteilung von Privilegien an, Prioritätssetzungen für oder Herabstufungen von einzelnen übermittelten Datenpaketen durch die Provider dürfe es zudem nicht kommen. Ein Breitbandbieter dürfe nicht darüber bestimmen, erklärte der Lobbychef von Amazon.com, Paul Misener, gegenüber CNet, welcher Arzt oder welches Krankenhaus bei E-Health-Diensten entsprechend der Bezahlung für die Datenübertragung favorisiert werde. Eine Stärkung der Netzwerkneutralität sei erforderlich, um Diskriminierungen zu verhindern.

Zur Auseinandersetzung um die Netzneutralität siehe auch die Hintergrundinformationen und die Übersicht zur bisherigen Berichterstattung in dem Online-Artikel in c't – Hintergrund:

(Stefan Krempl) / (jk)