BKA durchforstete Millionen Telefonverbindungen in Korruptionsaffäre

Um den "schwunghaften Handel" mit geheimen Terrorakten aus den eigenen Reihen zu unterbinden und die Lecks ausfindig zu machen, kam es im Bundeskriminalamt zu umfangreichen internen Observationen.

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Um den jahrelangen Verkauf geheimer Terrorakten aus den eigenen Reihen an die Presse zu unterbinden und die Lecks ausfindig zu machen, kam es im Bundeskriminalamt (BKA) zwischen 2002 und 2004 zu umfangreichen internen Observationen. Dies erklärte der Präsident der Wiesbadener Polizeibehörde, Jörg Ziercke, am gestrigen Donnerstag. Er nahm damit Stellung zu einem Bericht, den das ARD-Magazin Panorama am Donnerstagabend sendete, wonach Redakteure des Nachrichtenmagazins Focus jahrelang von Ermittlern des BKA und des bayerischen Landeskriminalamts (LKA) ausgeforscht worden seien. Diesen Vorwurf wies Ziercke für seine Behörde energisch zurück. Es seien keine Undercover-Agenten vom BKA auf Journalisten angesetzt worden. Er bestätigte jedoch, dass es ein Verfahren gegeben habe, weil hochbrisante Unterlagen etwa aus der Terrorismusbekämpfung nach außen gelangt seien.

Im Zuge der Korruptionsuntersuchung sind laut Ziercke unter anderem etwa drei Millionen Verbindungsdaten aus dem Telekommunikationsbereich aus dem eigenen Haus ausgewertet worden. Zum Abgleich der Informationen über getätigte Anrufe sei man durch einen richterlichen Beschluss sogar verpflichtet gewesen. Trotz des enormen Aufwands sei man den "schwarzen Schafen" in den eigenen Reihen aber letztlich nicht auf die Schliche gekommen. In derselben Sache habe es auch Ermittlungen des bayerischen LKA und der Staatsanwaltschaft München gegeben, führte Ziercke weiter aus. Über die dort angewandten Ermittlungsmethoden könne er nichts sagen.

Der "schwunghafte Handel mit Behördenunterlagen" hatte dem BKA-Chef zufolge eine Dimension gehabt, "wie ich es nicht für möglich gehalten habe". Daran beteiligt gewesen sei auch ein privater Nachrichtenhändler, der die staatsschutzrelevanten Informationen gekauft und an einen Journalisten des Focus weitergegeben haben soll. Um wen es sich dabei handele, sei bis heute ebenfalls unbekannt. Medienberichte, wonach das BKA den Agenten Werner Mauss auf Reporter der Münchner Wochenzeitschrift angesetzt habe, um die undichten Stellen in der Behörde zu finden, wies Ziercke als völlig verzerrt und falsch zurück. "Vielmehr ist Herr Mauss immer eigeninitiativ an das BKA herangetreten", betonte der Sozialdemokrat. Vereinbarungen über Zulieferungen an das BKA habe es mit dem Vermittler nicht gegeben. Jüngst sprach Ziercke bei einer Debatte auf Einladung eines Verlegerverbands von 380 Fällen, in denen Informationen aus dem BKA heimlich an die Presse weitergegeben worden seien. Dabei habe er aber nur zweimal Anzeige gegen Unbekannt gestellt.

Bei dem anderen Fall handelt es sich um einen Terrorismusartikel im Politmagazin Cicero, der unter anderen zu einer Razzia in den Potsdamer Redaktionsräumen führte. Ein solches Vorgehen erklärte das Bundesverfassungsgericht Ende Februar für verfassungswidrig. Allein die Veröffentlichung eines Geheimdokuments rechtfertige weder die Inspektion von Büros oder Wohnungen von Journalisten noch die Beschlagnahme von Unterlagen, urteilten die Karlsruher Richter und stärkten so die Pressefreiheit.

Der FDP-Innenexperte Max Stadler kündigte angesichts der Bespitzelungsvorwürfe an, dass sich möglicherweise nun der BND-Untersuchungsausschuss des Bundestags mit den Vorgängen befassen werde. Dieser beschäftigt sich unter anderem bereits mit der Spionage des Bundesnachrichtendienstes gegen Journalisten und Autoren, die Ende 2005 publik geworden waren. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) stimmte einem entsprechenden Überprüfungsvorschlag zu. Er wies darauf hin, dass der betroffene Zeitraum vor seiner Amtsübernahme lag. Eine Aufklärung der Vorfälle aus dem Verantwortungsbereich seines Vorgängers sei somit nicht seine Aufgabe. (Stefan Krempl) / (jk)