Schutz geistigen Eigentums soll Schwerpunkt des G8-Gipfels werden

Die Bundesregierung strebt bis zum Treffen der führenden Industriestaaten Anfang Juni in Heiligendamm einen Konsens über die Bekämpfung der Produktpiraterie an, wobei die Industrie Schützenhilfe leistet.

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Die Bundesregierung strebt bis zum Treffen der G8-Staaten Anfang Juni in Heiligendamm einen Konsens über die Bekämpfung der Produktpiraterie an. Der florierende Handel mit gefälschten Produkten sei ein weltweites Problem, hieß es dazu am gestrigen Donnerstag in Berlin. Man habe daher den Schutz geistigen Eigentums und die Bekämpfung von Hehlerware zu einem zentralen Anliegen der deutschen G8-Präsidentschaft gemacht. Generell müssten sowohl die Herstellung der Plagiate als auch die Nachfrage international stärker ins Visier genommen werden. Auf dem Gipfel der führenden Industriestaaten einschließlich Russlands strebt die Bundesregierung deshalb auch einen verstärkten Dialog mit großen Schwellenländern über das Thema an. Vor allem gegenüber Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika wolle Deutschland um "zunehmende Verantwortung bei der Bekämpfung von Produktpiraterie" werben.

Gleichzeitig geht es Berlin um konkrete Maßnahmen wie die Einführung eines neuen elektronischen Informationssystems der Zollbehörden. Die Bundesregierung sieht neben den Staaten beim entschlossenen Handeln auch die Unternehmen gefordert. Als Grundlage für eine bessere Kooperation in diesem Bereich hat die Bundesregierung daher mit dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) ein Papier (PDF-Datei) mit Präventionsstrategien erarbeitet. Es fasst zahlreiche rechtliche, politische, betriebswirtschaftliche und technische Maßnahmen im Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie "mit Vorbildcharakter" zusammen. Der BDI betont aber, dass von der mehrseitigen Auflistung "keine Bindungswirkung im Sinne einer Selbstverpflichtung" ausgehen solle.

Im Einzelnen umfasst der Katalog etwa Vorschläge zur besseren Ausnutzung internationaler Instrumentarien zum Schutz von Immaterialgüterrechten auf regionaler oder globaler Ebene über das Europäische Patentamt oder die World Intellectual Property Organization (WIPO). Zur "entschlossenen Verfolgung von Rechtsverstößen" soll die Marktüberprüfung durch Rechteinhaber etwa durch ein verstärktes "Monitoring" des Internet verbessert werden. Auch eine Kooperation der Wirtschaft mit dem Zoll oder Strafverfolgungsbehörden ist vorgesehen. Dazu sollen Aufklärungskampagnen über geistige Eigentumsrechte und die Schaffung zentraler Web-Portale kommen, um insbesondere kleine und mittlere Unternehmen zu informieren, sowie die "Platzierung des Themas in den Medien" zur Verdeutlichung des wirtschaftlichen Schadens durch Piraterieware. Dem BDI schwebt ferner beispielsweise die Einrichtung eines runden Tischs der Wirtschaft und privater Organisationen mit Regierungs- und Justizstellen vor.

In den Betrieben selbst soll die Ausarbeitung einer Schutzrechtsstrategie absolute "Chefsache" werden und die Auswahl von Lieferanten überprüft werden. Der BDI mahnt weiter dazu, einen "Know-how-Abfluss" zu verhindern und "Schlüsselpatente" zurückzuhalten. An der Technikfront könnten ansonsten "Track- und Trace-Systeme", Hologramme oder Verschlüsselung helfen, um Produkte und Technologien zu schützen.

Die Bundesregierung hält zugleich fest, dass "Produktpiraterie kein Kavaliersdelikt ist". Allein der deutschen Wirtschaft entstünde durch nicht-lizenzierte Kopien jährlich ein Schaden von 25 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr habe der deutsche Zoll gefälschte Produkte im Wert von über 1,1 Milliarden Euro beschlagnahmt, Tendenz gegenüber den Vorjahren steigend. Erst am gestrigen Donnerstag vermeldete Microsoft, dass die Zollfahndung in Zusammenarbeit mit den chinesischen Behörden am Flughafen Köln/Bonn 20 gefälschte "Wireless Controller" für die Xbox 360 entdeckt habe. Bei der ins Visier geratenen chinesischen Firma seien im Vorfeld 3700 gefälschte Steuergeräte für die Spielkonsole gefunden worden.

Der potentielle Schaden ist nach Regierungsangaben nicht nur materiell. Die Plagiate seien oft aus minderwertigem Material. Sie würden weder dem Qualitäts- noch dem Sicherheitsstandard der Originale genügen. Die Bekämpfung von Produktpiraterie sei deshalb auch Verbraucherschutz. Nicht zuletzt würden die Fälschungen auch Arbeitsplätze gefährden. Dies gelte besonders für "wissensbasierte Gesellschaften" wie Deutschland.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte sich bereits im Januar für eine Verbesserung der strafrechtlichen internationalen Zusammenarbeit im Rahmen der G8-Staaten zur Verfolgung etwa von Urheber- oder Patentrechtsverletzungen stark gemacht. Ende April wird sich der Bundestag in 1. Lesung mit dem umstrittenen Regierungsentwurf zur einfacheren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte inklusive Auskunftsansprüchen gegenüber Providern befassen, während das EU-Parlament über ergänzende Strafvorschriften entscheiden soll. (Stefan Krempl) / (vbr)