FDP zeigt sich um die Achtung der Grundrechte schwer besorgt

"Vage Begriffe" wie Terrorismus und damit begründete Freiheitseinschränkungen lassen die Liberalen fürchten, dass die Grundrechte an Substanz verlieren. Sie verlangen von der Bundesregierung umfassend Auskunft, wie diese es mit der Verfassung hält.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 268 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

"Vage Begriffe" wie die Bedrohung der Sicherheit durch Terrorismus oder Kriminalität und damit begründete verstärkte Freiheitseingriffe lassen die FDP befürchten, dass die "Grundrechte an Substanz verlieren". Von den Möglichkeiten zur Einschränkung der Verfassungsrechte macht der Gesetzgeber und der Staat nach Ansicht der Liberalen "leider viel zu oft Gebrauch, ohne dass das notwendige Augenmaß gewährt bleibt". Änderungen des Grundgesetzes selbst würden zusätzlich die Gefahr bergen, dass "Grundrechte in der Substanz geändert und relativiert werden". Der Freiheitsgedanke und das Leitbild des mit unveräußerlichen Rechten ausgestatteten Menschen stünden dagegen immer seltener Pate für politisches Handeln. Die FDP hat diese Entwicklungen zum Anlass genommen, um von der Bundesregierung im Rahmen einer jetzt veröffentlichten Großen Anfrage (PDF-Datei) umfassend Auskunft zu verlangen, wie sie es mit der Verfassung hält.

Der Staat trägt laut der Vorbemerkung der Liberalen durch seine Missachtung der Grundrechte dazu bei, dass die gesellschaftliche Anerkennung und herausragende Bedeutung der Grundrechte verloren geht. Wenn Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in seiner Funktion auch als Verfassungsminister selbst die Pfeiler der Verfassung als Hindernis bei der Terrorismusbekämpfung darstelle, sei es nicht weiter verwunderlich, wenn Teile der Bevölkerung die Grundrechte ebenfalls nicht mehr wertschätzen könnten. Damit einher gehe unweigerlich ein Werteverlust der Gesellschaft. Ohne die Garantie der Grundrechte, zu denen die FDP die Sicherheit ausdrücklich nicht dazu zählt, sei ein freiheitlich-demokratisches Gemeinwesen aber nicht denkbar. Der Schutzauftrag des Staates könne nur erfüllt werden, wenn alle Menschen hierzulande sich der Verbindlichkeit und Unverbrüchlichkeit der Grundrechte bewusst seien. Daher müssten diese sowohl in der Schulbildung als etwa auch in Integrationskursen breiteren Raum einnehmen.

Die Freiheitsrechte sind der Anfrage zufolge aber auch durch das Handeln Privater und die rasante technische Entwicklung bedroht. Wenn die informationelle Selbstbestimmung durch Kundenkarten und die "Sammelwut privater Unternehmen" in Gefahr gerate, sei auch hier der Staat aufgefordert, die Missstände zu beheben. Gerade das Internet böte zudem viele Ansatzpunkte, um den Datenschutz aufzubröseln. Immer wieder stelle sich zudem das Problem, dass europäische Rechtsakte umgesetzt werden müssten, in denen der Schutz und das Verständnis der Reichweite der Grundrechte in Frage stünden. Dies sei etwa bei der umstrittenen Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten der Fall gewesen. Die Bundesregierung müsse sich daher auch in Brüssel stärker als Anwalt der Bürger verstehen und deren Freiheitsrechte stärker verteidigen.

Konkret wünschen die Liberalen in 167 Fragen Aufklärung über das Grundrechtsverständnis der Regierung und sich daraus ableitende Folgerungen. Detailliert will die FDP etwa wissen, durch welche Gesetze in Zeiten der großen Koalition in welche Grundrechte eingegriffen worden sei und welche weiteren Vorhaben in dieser Richtung verfolgt würden. Von Interesse ist für die Liberalen auch, welche Änderungen des Grundgesetzes mit welcher Begründung geplant sind. Zum Artikel 1 Grundgesetz zum Schutz der Menschenwürde fragt die FDP unter anderem, ob dieser nach Ansicht der Bundesregierung durch Computerspiele wie 3D-Shooter oder TV-Serien wie "Big Brother" oder Model-Casting-Shows gewahrt bleibe.

Bei dem zunächst allein vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bohrt die Oppositionspartei nach, inwieweit dieses eigenständig in der Verfassung verankert werden solle. Weitere Anfragen in diesem Kapitel beziehen sich auf Gefahren durch die RFID-Technologie, die Rasterfahndung oder die Einführung zentraler Dateien bei Behörden. Im Abschnitt zur Meinungsfreiheit und Artikel 5 sorgt sich die FDP etwa um einen Verlust derselben durch überzogene Haftungsregelungen für Betreiber von Internetforen. Kritisch beleuchten wollen die Liberalen zudem Durchsuchungen von Redaktionen und damit einhergehende Eingriffe in die Pressefreiheit.

Zum Artikel 10 und dem damit garantierten Post- und Fernmeldegeheimnis interessiert die FDP vor allem, ob die Regierung in heimlichen Online-Durchsuchungen privater Festplatten hier einen Eingriff vorliegen sieht. Weiter fragt sie nach dem Erfolg der Telefonüberwachungen, der Verhältnismäßigkeit von Postbeschlagnahmen oder dem Grundrechtsschutz bei der Internet-Telefonie. Ähnliche Auskünfte unter anderem zur Rechtmäßigkeit von Online-Razzien tauchen auch unter dem Katalog zur Unverletzlichkeit der Wohnung und Artikel 13 auf. Bei Artikel 14 und dem Eigentumsschutz geht es vor allem um Einschätzungen zu Immaterialgüterrechten und der Grundrechtsverträglichkeit von Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM). Nicht zuletzt wollen die Liberalen wissen, ob erfolgte Grundrechtseinschränkungen auch wieder rückgängig gemacht werden sollen. (Stefan Krempl) / (pmz)