Wann fließen die ersten Tränen beim Computerspielen?

Beim Start der Berliner Gamestage und der Entwicklerkonferenz Quo Vadis drehte sich alles ums Zusammenwachsen von Computerspielen, Film und Mobilfunk sowie bessere Förderungsbedingungen von Produzenten.

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Beim Start der ersten Gamestage Berlin-Brandenburg und der noch bis zum Samstag andauernden Entwicklerkonferenz Quo Vadis drehte sich alles ums Zusammenwachsen von Computerspielen, Film und Mobilfunk sowie bessere Förderungsbedingungen für Produzenten interaktiver Inhalte. "Wir müssen noch viel von Kino lernen, wie man eine Geschichte erzählt und Emotionen rüberbringt", sagte Odile Limpach, Produktionschefin der deutschen Tochter des französischen Spielegiganten Ubisoft auf dem Mediengipfel vom Medienboard und media.net berlinbrandenburg zum Auftakt der beiden Games-Konferenzen. "Definitives Ziel" der Computerspiele-Industrie sei es, "dass der Spieler eine Träne vergießt, wenn sich ein Mitspieler verabschiedet".

Die Beeinflussung zwischen Spiele- und Filmwelten läuft im digitalen Zeitalter aber keineswegs mehr nur in eine Richtung ab. Gegenseitig "befruchten sich die beiden Medien sehr stark", weiß Martin Moszkowicz, Vorstand der Münchner Constantin Film AG. Sein Haus hat schon in den frühen 90ern mit dem – damals noch günstigen – Ankauf von Filmrechten an Computerspielen angefangen und mit Resident Evil den ersten abendfüllenden Streifen auf Basis eines Computerspiels in Berlin gedreht. Inzwischen gibt es aktuell von Constantin die Adaption von Dead or Alive im Kino zu bewundern, der allerdings vor anderthalb Jahren in China entstand. Die beauftragte Animationsfirma in Hongkong hat ihren Mitarbeiterstamm gleichzeitig von einer Handvoll Beschäftigten auf 2800 hochgeschraubt, was Moskowicz zufolge die "Dynamik" in diesem Markt zeigt.

"Bei neuen Spielen sind die Lizenzpreise immens hoch geworden", berichtete der Marketingexperte aber und stellte damit weitere Adaptionen für die Leinwand zumindest aus seiner Firma in Frage. Die Filmrechte am 3D-Shooter "Halo" für Microsofts Xbox seien für zehn Millionen US-Dollar an ein Hollywood-Studio gegangen, bei dem in punkto Umsetzung aber "noch nichts passiert ist". Generell würden die großen US-Studios mit einer Quote von 10:1 arbeiten, also deutlich mehr Rechte an Computerspielen einkaufen als tatsächlich auch nutzen. Bei Constantin müsse man da stärker haushalten. Man suche aber weiter nach Stoffen, die "eine eingebaute Zuschauerschaft haben, also bestehende Werke wie Spiele, Romane, Cartoons, Zeitungsartikel oder Biographien". Der Film müsse dabei auch bei einer eingeschworenen Fangruppe allerdings immer "als solcher selbst funktionieren".

Der Trend geht laut Moskowicz in Richtung der Entwicklung von Beteiligungsmodellen zwischen Spiele- und Filmunternehmen, wobei sich die Verhandlungen aber meist "sehr kompliziert" darstellen würden. Mittelfristig werden die Abspielplattformen dem Manager zufolge angesichts der sich auch mit dem Erfolg des auf einem Comic von Fank Miller basierenden "Testosteron-Movies" 300 abzeichnenden Vermischung der Ästhetiken "sekundär". So werde mit der nächsten Generation der iPods sicher auch das "Video on Demand"-Geschäft anziehen. Bei all dem "müssen nur in der Lage sein, Inhalte zu kreieren und zu kontrollieren", erinnerte Moskowicz auch an die Urheberrechtsproblematik.

Vergleichweise langsam tastet sich derweil die deutsche Senderlandschaft an den Spielebereich heran. "Aus Fernsehformaten sind bisher nur etablierte Serien wie Cobra 11 umgesetzt worden in Spiele", erklärt Martin Hoffmann, Vorstandsvorsitzender der Berliner MME Moviement AG. Dies funktioniere gut, wenn die TV-Vorlagen "actionorientiert und von Helden abhängig" seien. Bei einem Zweiteiler wie dem "Wunder von Lengede" gäbe es dagegen nicht wirklich etwas zu spielen. Momentan finde die zweite Generation der Spiele-Entwicklung statt, wenn RTL etwa Skispringen oder ProSieben Germany's Next Topmodel in Computerspiele umsetze. Noch habe der Markt eine überschaubare Größe, "aber wir denken bei der Programmentwicklung inzwischen auch daran."

MME hat sich dabei insbesondere auf Handy-Spiele spezialisiert. Aktuell lädt Sat.1 etwa die Zuschauer der nachmittäglichen Polizeiserie Niedrig und Kuhnt mit Hilfe der Produktionsfirma ein, selbst "die Übermittlungen" auf dem Mobiltelefon zu übernehmen. Für den Sender stehe dabei die Zuschauerbindung im Vordergrund, eingespielt habe die Handy-Adaption bisher erst "zwischen 50.000 und 100.000 Euro". Die Verhandlungen über Erlösmodelle sind Hoffmann zufolge aber ein "dornenreicher Weg", auch wenn die Produzenten auf der Inhaltsebene natürlich gefragt seien und ihre kreative Leistung langsam anerkannt werde. In Großbritannien hätten die Inhaltemacher aber längst eine "viel bessere Stellung" und könnten viel mehr Rechte für sich behalten, während hierzulande "die Regulierung die Industrie komplett verschlagen hat".

Auch Limpach beklagte für die Spieleproduzenten eine mangelnde staatliche Förderung hierzulande. Während in Kanada bis zu 40 Prozent der Entwicklungskosten gefördert würden und Ubisoft dort eines seiner größten Produktionszentren mit 1900 Mitarbeitern habe, würden hierzulande nur "ein, zwei Prozent" der Produktionskosten staatlich subventioniert. Der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf beeilte sich daher, den Heimatstandort für die Entwickler interessant zu machen. So böte die Hauptstadt mit der Games Academy oder Filmhochschulen, rund 140 Spieleunternehmen, Branchenverbänden und Netzwerken wie einem "Serious Games"-Cluster bereits ein gutes Umfeld. Zudem seien die Finanzierungs- und Wachstumsmöglichkeiten im Rahmen des Projekts Zukunft verbessert worden. Von 2008 an würde zudem ein eigener Wagniskapital-Fonds für die Branche mit 30 Millionen Euro zur Verfügung stehen. (Stefan Krempl) / (jk)