IFA

ARD und ZDF verteidigen Digitalstrategie

Die Verschmelzung von Fernsehen und Internet sei "irreversibel", verdeutlichte ZDF-Intendant Markus Schächter beim heutigen ARD/ZDF-Funkturmgespräch in Berlin. Ein ökonomischer Wettbewerb im Internet etwa mit Zeitungsverlagen finde nicht statt.

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Von
  • Volker Zota

Um einige Dinge in der andauernden Diskussion um die Digitalstrategie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten klar zu stellen, luden der ARD-Vorsitzende Fritz Raff und ZDF-Intendant Markus Schächter am heutigen Freitag zum ersten ARD/ZDF-Funkturmgespräch. Markus Schächter eröffnete das Gespräch mit einem sieben Punkte umfassenden Statement, mit dem er sich laut Raff "medienpolitisch zurückgemeldet hat", nachdem er sich in den vergangenen Wochen in Zurückhaltung übte.

So stellte Schächter zu Beginn die These auf, dass die Verschmelzung von Fernsehen und Internet irreversibel sei und die Öffentlich-Rechtlichen ihren Platz in der digitalen Fernsehwelt finden müssten. Doch die Punkte im Einzelnen: Im Mittelpunkt der "TV im Netz"-Strategie seiner Anstalt sieht Schächter das auf der IFA an den Start gegangene Internet-Abruf-Fernsehen ZDFmediathek 3.0. Sie bilde das ZDF-Programm komplementär zum Live-Programm ab und gewähre dem Zuschauer weitgehende "Souveränität, selbst die Zeit und den Ort der Mediennutzung zu bestimmen". Das überarbeitete Online-Angebot des ZDF braucht nach Meinung des ZDF-Intendanten den europäischen Vergleich nicht zu scheuen; man sei bei der Digitalisierung "ganz weit vorne mit dabei".

"Das Internet entwickelt sich zunehmend vom Text- zum Bewegtbild-Medium", verdeutlichte Schächter. Den Vorwurf des BDZV, dass die Öffentlich-Rechtlichen elektronische Zeitungen im Internet anbieten würden, wies er als pure Polemik zurück. Das ZDF betreibe lediglich sein Kerngeschäft. Im Unterschied dazu zeigten die "gigantischen Zukäufe" von Internetplattformen durch privatwirtschaftliche Verleger das "unverkennbare Ziel, künftig neben Print-Angeboten audiovisuelle Inhalte bereitzustellen". Dennoch bewegen sich ZDF und Zeitungsverlage seiner Meinung nach nicht auf dem gleichen Markt. Es fände kein ökonomischer Wettbewerb im Internet statt, weil das ZDF (ebenso wie das Angebot der ARD) keine Werbung anbiete. Als inhaltliche Abgrenzung nannte der ZDF-Intendant, dass das ZDF keine regionalen und lokalen Angebote im Internet mache. Zudem liege das ZDF im Ranking der meistgenutzten Internet-Nachrichtenportale lediglich auf Platz 12 (Juli 2007). Aus diesen Argumenten leitete Schächter ab, dass weder im ökonomischen noch im publizistischen Bereich Wettbewerbsverzerrungen zugunsten des ZDF vorlägen. Hinzu komme, dass es klare Ermächtigungs- und Kontrollstrukturen gebe; das Online-Angebot des ZDF sei im Rundfunkstaatsvertrag verankert.

Die gleichen Argumenten dürften die Öffentlich-Rechtlichen auch in einem für Ende September anberaumten Gespräch mit den Verlegern vorbringen. Schächter hofft, dass man in den Diskussionen die Grundsätze der verschiedenen Standpunkte klären kann. Die Digitalkanäle, auch den seit zehn Jahren bestehenden Kanal ZDFinfo, werde man selbstverständlich weiter ausbauen. Es handele sich um ein breit aufgestelltes Informations- und Serviceangebot und nicht um einen Nachrichtenkanal, wie von den Privatsendern befürchtet. Schächter zeigte sich erstaunt, "mit welcher Verve unsere kommerziellen Freunde plötzlich das Feld der Information für sich reklamieren".

Die – mit der ARD abgestimmte – Zurückhaltung beim Thema HDTV erklärte der ZDF-Intendant damit, dass die öffentlich-rechtlichen Sender mit der Industrie eine Roadmap für die Einführung entwickeln. ARD und ZDF seien verpflichtet, verantwortungsvoll mit den finanziellen Mitteln umzugehen; eine schnelle Einführung, wie auf der IFA mehrfach gefordert, sei der falsche Weg. Man werde an der Einführung zu den olympischen Winterspielen im Januar 2010 festhalten. "Grundverschlüsselung" sieht Schächter als Digitalisierungs-Hemmschuh. Sie diene nicht etwa dazu, die Digitalisierung zu fördern, sondern solle in Wahrheit den Einstieg in die Entwicklung von Pay-TV-Angeboten ebnen. Insofern sei die von SES Astra eingeführte Satelliten-Plattform Entavio ein schlimmer Fehler gewesen.

Beim ZDF stehe weiterhin das Hauptprogramm im Fokus, dennoch gebe es einen "Masterplan", der das ZDF in den kommenden vier Jahren von einem Ein-Sender- zu einem multimedial aufgestellten Unternehmen verändern soll. Das Hauptprogramm will das ZDF unter Absprache der Programmdirektoren von ARD und ZDF "optimieren, und im Januar 2008 umstellen". Die in den nächsten Monaten anstehenden medienpolitischen Weichenstellungen seien "fundamentale wichtige Zeitzonen" für den Fortbestand des dualen Rundfunksystems in Deutschland.

Obwohl ARD und ZDF einerseits "eine langjährige Vertrautheit verbinde, sie sich aber andererseits vortrefflich streiten könnten", teilte der sonst oft angriffslustige ARD-Vorsitzende Fritz Raff weitgehend die Ansichten seines Vorredners. Einen "Masterplan" wie den des ZDF gebe es allerdings bisher nicht, so Raff. Es erinnerte daran, dass die ARD rund 50 Radiosender und mehr als ein halbes Dutzend dritte Programme unter einen Hut bekommen müsse – ein Grund, weswegen die Mühlen des ARD-Verbunds langsamer mahlten als die des ZDF. Das hatte auch zur Folge, dass die ARD-Mediathek entgegen der ursprünglichen Ankündigung nur als Showcase auf der IFA präsentiert wird.

Interessanterweise scheint sich vor allem die ARD bisher wenig Gedanken über anfallende Streaming-Kosten durch das mit Hochdruck entwickelte Online-Videoportal zu machen. Die bei der KEF beantragten Gelder für die Online-Auftritte (ZDF: 12 Millionen Euro pro Jahr, ARD 41 Millionen Euro) decken lediglich die voraussichtlichen Investitionskosten für die Inhalte, deren Aufbereitung und den eigentlichen Online-Auftritt. Während das ZDF bereits auf einige Jahre Erfahrung mit der Mediathek zurückblicken kann, gab es im Senderverbund der ARD bislang nur ein fragmentiertes audiovisuelles Online-Angebot. Doch einen allzu großen Ansturm erwartet der ARD-Vorsitzende offenbar zunächst nicht. Er meinte, dass man durch ein simples "ins Netz stellen" der derzeitigen Inhalte nur Abrufe in homöopathischen Dosen erwarten dürfe, denn sonst würden die meist jüngeren Zuschauer vermutlich auch fern sehen und nicht ins Internet abwandern. Tatsächlich dürfte das größte Problem beim Übergang ins digitale Zeitalter darin bestehen, das Programmangebot in einem Balance-Akt auszuweiten, um den Geschmack der Internet-Nutzer zu treffen, dabei aber kein "Fast-Food-Programm" zu entwickeln. (vza)