FDP-Abgeordneter zieht gegen Vorratsdatenspeicherung vor das Verfassungsgericht

Der schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete Jürgen Koppelin hat als erster Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung eingelegt, tausende andere Bürger stehen in den Startlöchern.

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Der schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete Jürgen Koppelin hat als erster Verfassungsbeschwerde gegen das heftig umstrittene Gesetz (PDF-Datei) zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen eingelegt. Der Liberale hält vor allem die damit verknüpften Bestimmungen zur verdachtsunabhängigen Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten für angreifbar. "Eine solche Totalregistrierung aller Bürger ist verfassungswidrig", erklärte der FDP-Politiker. Die sechsmonatige Aufzeichnung der Verbindungs- und Standortdaten sei auch nicht mit der Terrorabwehr zu rechtfertigen. Die Sicherheitsbehörden von Januar 2008 an eine "gigantische Datenmenge" über die Bürger sammeln, was mit einem Rechtsstaat nicht vereinbar sei.

Tausende besorgte Nutzer und zahlreiche Oppositionspolitiker etwa auch von den Grünen und den Linken stehen neben anderen FDP-Abgeordneten wie den Ex-Bundesministerin Gerhart Baum und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ebenfalls in den Startlöchern für den Gang nach Karlsruhe. Sie warten bislang ab, da Bundespräsident Horst Köhler das Gesetz noch auf seine Verfassungstauglichkeit prüft und dabei nach Angaben seines Amtes sowohl die Sorgen der Bürger um die innere Sicherheit als auch um die Freiheitsrechte im Auge hat. Anwälte, Journalisten und der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung haben an den CDU-Politiker appelliert, das Gesetz wegen offensichtlicher verfassungsrechtlicher Mängel nicht zu unterzeichnen.

Geht es nach der Bundesregierung, soll das umfangreiche Vorhaben aber noch Ende Dezember nach der Unterschrift Köhlers im Bundesgesetzblatt verkündet und dann am 1. Januar in Kraft treten. Der FDP-Haushaltspolitiker Koppelin geht anscheinend nicht von einem Veto des Bundespräsidenten aus, nachdem die große Koalition in Bundestag und Bundesrat den Entwurf trotz heftiger Proteste  von allen Seiten vor kurzem beschlossen hat.

Telcos müssen im Rahmen der Massendatenlagerung ab Anfang 2008 Rufnummern, Uhrzeit und Datum der Verbindung, bei Handys auch den Standort zu Beginn des Gesprächs sowie die Gerätenummern erfassen und sechs Monate aufbewahren. Für Internetanbieter gilt eine Übergangsfrist bis Anfang 2009. Danach sind von ihnen die zugewiesene IP-Adresse, Beginn und Ende der Internetnutzung und die Anschlusskennung zu speichern. Von Anbietern von E-Mail-Diensten verlangt der Staat vor allem die Kennungen der elektronischen Postfächer, also die E-Mail-Adressen, und die IP-Adressen von Absender sowie Empfänger nebst Zeitangaben. Wer Internet-Telefonie (VoIP) zur Verfügung stellt, muss die Rufnummern, Zeitpunkte der Kommunikation und ebenfalls die IP-Adressen vorhalten. Deutsche Anbieter von Anonymisierungsdiensten sind ausdrücklich nicht von den Auflagen ausgenommen. Betreiber von Tor-Servern rechnen damit, dass 90 Prozent ihrer privat unterhaltenen Anlagen in Deutschland nicht mehr aufrechtzuerhalten sind.

Zu Details der neuen Telekommunikationsüberwachung und der auf Vorrat gespeicherten Verbindungsdaten siehe:

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Stefan Krempl) / (jk)