Protestaktion gegen .eu-Domaingrabber

Dass eu-Domains für 100 Millionen Euro an gerade 15 Domaingrabber in Europa vergeben wurden, prangert die Aktion "EUdomaindesaster" an: Kein noch so kompliziertes Vergabeverfahren schütze vor Domaingrabbing.

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Von
  • Monika Ermert

Hat jemand ernsthaft geglaubt, die hochkomplizierten Vorregisteriermöglichkeiten bei der EU-Domain würden Spekulanten abwimmeln? Ganz im Gegenteil: .eu-Domains im Wert von rund 100 Millionen Euro seien an gerade einmal ein gutes Dutzend Domaingrabber in Europa vergeben wurden, kritisiert Daniel Kollinger, Gründer der Domainbörse Nicit. Kollinger wollte den Schmuh so nicht hinnehmen und hat jetzt eine Unterschriftenkampagne gegen das Vergabeverfahren gestartet. Unter dem Motto "EUdomaindesaster" fordert Kollinger von der .eu-Registry Eurid, der EU-Kommission und dem EU-Parlament, die Vergabe sofort zu stoppen und die Lücken zu schließen, die Domaingrabber ausnutzen. Am Dienstag hatte Eurid die zweite Sunrise-Phase gestartet, in der wieder Adressen wie sex.eu ganz oben auf der Wunschliste standen.

Schon beim Start der Markeninhabern und öffentlichen Einrichtungen vorbehaltenen ersten Sunriesphase wurden die Tricks offenbar. Um den Anspruch auf die Vorregistrierung interessanter Adressen zu legitimieren, haben sich eine Reihe von Unternehmen und Einzelkämpfern darauf verlegt, kurzfristig Marken dafür anzumelden. Da für allgemeine Begriffe wie Sex, Auto oder Tickets eine Eintragung in den jeweils relevanten Klassen aus Wettbewerbsgründen ausgeschlossen ist, wurden obskure Klassen gewählt: "Sex oder Auto für Futtertröge", nennt Kollinger als Beispiele. Beliebt ist auch die Anmeldung von Marken mit Leerstellen zwischen einzelnen Buchstaben oder Wortteilen, die allerdings bei der Bildung des Domainnamens automatisch wieder entfallen. Aus "au to versicherung" wird so "Autoversicherung".

Erbost ist Kollinger auch schließlich über die Masche, Marken in den Ländern anzumelden, in denen eine Markenanmeldung besonders rasch vonstatten geht. "Ich weiß von Leuten, die sich eigens kurz vor dem Start der Sunrisephase in Belgien eingemietet haben", berichtet Kollinger. Dort ließ sich beim 24-Stunden-Service schnell noch ein Sack voll Marken einheimsen. Beim deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) dauern die Anmeldungen auch im beschleunigten Verfahren zumindest einige Wochen. Die noch unmittelbar vor oder während des Starts der Sunrisephasen eingetragenen Marken werden im Validierungsverfahren bei PriceWaterhouseCoopers als "ältere Rechte" präsentiert. Ursprünglich habe er erwartet, dass die Phantasienanmeldungen von den Markenexperten bei PriceWaterhouseCoopers ausgesiebt werden, meint Kollinger. Doch die nach und nach gefällten Entscheidungen für Anmeldungen aus der Phase eins belehrten ihn eines Besseren.

"Die europäischen Behörden hatten auf eine gerechte Verteilung ja gerade besonderen Wert gelegt", sagt er. Auf der Basis der von Grabbern besetzten Markeneintragungen werden nun allerdings lukrative Allgemeinbegriffe lange vergeben sein, bevor der normale europäische Internetnutzer im Rahmen des regulären Registry-Starts zum Zug kommt. Kollinger, der betont, dass er selbst in den Markenphasen lediglich seinen Firmennamen vorregistriert hat, ist auch bei Eurid vorstellig geworden. Dort habe man eine "etwas schwierige Situation" eingeräumt, eine Änderung der Regeln im laufenden Verfahren aber erwartungsgemäß abgelehnt. "So wie es jetzt läuft, wäre allerdings jedes schlichte Losverfahren gerechter gewesen", findet Kollinger. Dass die EU beim ohnehin über Jahre hinweg diskutierten und entwickelten Regelwerk nachbessert, ist eher unwahrscheinlich. Übrig bleibt die Erkenntnis, dass auch noch so komplizierte Regeln Domaingrabbing nicht verhindern können. (Monika Ermert) / (ssu)