WCIT: Aufgeheizter Streit um Ausweitung der Telecom-Regulierung aufs Internet

Russland, China, die Vereinigten Arabischen Emirate und weitere arabische Staaten wollen die International Telecommunication Regulations aufs Internet ausdehnen. Integriert in ihren Vorschlag haben sie Russlands Vorstellung nationaler Internet-Segmente.

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Von
  • Monika Ermert

Ein gemeinsamer Vorschlag Russlands, Chinas, der Vereinigten Arabischen Emirate und weiterer arabischer Staaten zum künftigen Vertrag über internationale Telekommunikation (International Telecommunication Regulations, ITR) droht die World Conference on International Telecommunication (WCIT) in Dubai endgültig zu spalten. Der als Kompromissvorschlag titulierte Entwurf für die künftigen ITR würde den Anwendungsbereich der Telecom-Regulierung deutlich ausweiten und das Internet mit einbeziehen. Er ist aus Sicht der USA, der EU und weiterer ITR-Minimalisten inakzeptabel. Das Gastgeberland ist jedoch entschlossen, der Konferenz den inzwischen über WCITleaks inoffiziell verbreitete Neuentwurf für die ITR am heutigen Montag noch unverändert vorzulegen. Das bestätigte der stellvertretende Delegationleiter Tariq Al Awadi am Montagmorgen gegenüber heise online.

Der Vorschlag enthält nicht nur die jeweils weit auslegbaren Varianten der Definition von Telekommunikation – zu der Informations- und Kommunikationstechnologie hinzukommen soll – und der vom Vertrag adressierten Betreiber. Er integriert auch den hoch umstrittenen Vorschlag Russlands für ein neues Internetkapitel. Dieses erkennt zwar einerseits an, dass Netzverwaltung und -Management Aufgabe von Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft sind, wartet aber gleichzeitig mit dem völlig neuen Konzept eines nationalen Segments des Internet auf. "In diesem soll dann wieder die Regierung allein regulieren", sagt Internet-Governance-Experte Wolfgang Kleinwächter, der der deutschen Delegation stellvertretend für die Zivilgesellschaft angehört.

Zwei weitere neue Abschnitte des Kapitel 3 der ITR betreffen die Reizthemen Sicherheit, beziehungsweise Vertrauen in den Netze. Staaten sollen unter anderem dazu aufgefordert werden, neben dem Missbrauch von Nummern auch den von Namen, IP-Adressen und anderen Identifiern zu verhindern.

Als "null und nichtig" bezeichnete ITU Generalsekretär Hamadoun Touré am Montagmorgen den auf WCITLeaks geposteten Vorschlag. Einzelne Länder, die als Mitzeichner auftauchen, hätten bereits schriftlich gegenüber der ITU erklärt, dass sie Abstand genommen hätten.

In der jetzigen Form sei der Vorschlag geeignet, die Konferenz zu spalten, räumte der WCIT-Vorsitzende Mohamed Al Ghanim gegenüber heise online ein. Er selbst strebe daher an, seine eigene Delegation zu bewegen, den Vorschlag nicht offiziell vorzulegen.

Al Ghanim ist in seiner Doppelrolle als Konferenzvorsitzender und Chef der UAE-Delegation in einer heiklen Situation. Er sieht, dass der UAE-Vorschlag von den USA und ihren Verbündeten als Kampfansage gewertet würde. Gleichzeitig sagt er in Richtung USA und EU: "Das erste Lager war bislang praktisch nicht zu Kompromissen bereit." Al Ghanim will selbst einen Vorschlag vorlegen, der die vielen kleinen Kompromisse aus den Arbeitsgruppen, die übers Wochenende geschmiedet wurden, enthalten soll. Über allem schwebt jedoch die Kernfrage, wie weit IP-Netze, IP-basierte Dienste oder gar die gesamte IuK-Branche durch den Vertrag adressiert werden soll. Eine Einigung über diese Punkte wird schwer und ist derzeit noch nicht in Sicht.

Ein auch online verfügbarer Artikel in der aktuellen c't 26/2012 verdeutlicht Hintergründe und Interessenlagen zur World Conference on International Telecommunications:

Eine Themenseite versammelt die Berichte von heise online zur WCIT:

(jk)