29C3: Auf der Suche nach dem "fairen" Computer

Es ist ganz schön anstrengend, Gutes zu tun: Die Herstellung eines Computers aus "konfliktfreien" Rohstoffen unter nicht-ausbeuterischen Arbeitsbedingungen will bisher nicht gelingen.

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Ansätze zur Serienfertigung eines "fairen Computers" gebe es bereits, berichtete Sebastian Jekutsch vom Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF) auf dem 29. Chaos Communication Congress (29C3) in Hamburg. Noch überwiegen allerdings die Probleme, und daher gibt es noch keinen Computer zu kaufen, bei dem der Verkäufer garantieren kann, dass alle Rohstoffe nachhaltig gewonnen wurden und bei dem die Arbeitsbedingungen in allen Produktionsschritten fair sind.

Möglichst viele Teile der Maus von Nager IT werden in Deutschland produziert und montiert. Über die komplette Lieferkette kann aber niemand Rechenschaft ablegen.

In diesem Jahr ist laut Jekutsch nur die Maus von Nager IT für 26,90 Euro auf den Markt gekommen und mehr als solche fairen Einzelteile werde es auch in der nahen Zukunft nicht geben. Die in die Schlagzeilen gelangte Computermaus ist laut Jekutsch auch nur "teilfair": Widerstände, Kondensatoren und Leiterplatte würden in Deutschland produziert, wo auch die Bestückung und Verpackung erfolge. Chip, Linse und Scrollrad stammten aber noch aus Fernost. Über die Arbeitsbedingungen, unter denen sie hergestellt würden, sei wenig bekannt. Zudem sei bei der Vorzeigeinitiative, die an sich einen "Riesenschritt" darstelle, der "Aspekt der Entwicklungszusammenarbeit" nicht vorhanden. Ein Transfer von Wissen in Länder mit aufstrebenden Volkswirtschaften finde nicht statt.

Etwas weiter gehe das Projekt FairPhone, das unter anderem Lötzinn einsetze, das aus konfliktfreiem Erz gewonnen wurde: Die Milizen im Kongo verdienten nicht an der Rohstoffgewinnung. Die so produzierten Smartphones wollten die Niederländer von 2013 an für 250 bis 300 Euro über den Vertriebspartner Vodafone verkaufen.

Sonst ist Jekutschs Liste fairer Anbieter im IT-Bereich noch völlig leer. Dies liege vor allem daran, dass an der Gerätefertigung sehr viele Akteure beteiligt seien, die letztlich alle überprüft werden müssten. Apple etwa greife für die iPhone-Produktion auf mehrere hundert Zulieferer in aller Welt zurück. Allein eine Leiterplatte enthalte zudem mindestens zehn verschiedene Rohstoffe. Zudem sei die "globale Lieferkette" nur schwer zu überblicken. So seien Südamerika und Afrika wichtig für Rohstoffe, in Südostasien werde zusammengebaut, was dann hauptsächlich nach Europa oder Nordamerika geschifft werde.

Eine faire Kaffeeplantage sei vergleichsweise einfach aus dem Boden zu stampfen. Dem Computerwissenschaftler zufolge sei es bei IT-Geräten dagegen kaum möglich, eine "Gegenbewegung von unten" zu gründen. "Niemand von uns kann einen kompletten Computer bauen, wir sind von der Industrie abhängig", erläuterte Jekutsch. Die Markenhersteller müssten daher aktiv werden. Dies sei im Prinzip möglich, aber nicht einfach zu erreichen. Der Informatiker zählte eine "Ursuppe" von Aktivitäten auf, die Druck auf namhafte Firmen ausüben könnten. Dies fange bei Aktionen und Protesten an, wie sie etwa die Aktivistengruppe "Yes Men" mit ihrer Ankündigung eines konfliktfreien "iPhone 4CF" vorexerziert habe. Wichtig seien auch gesetzliche Rahmenbedingungen, das ständige Nachfragen beim Händler, das Schaffen einheitlicher Siegel und Zertifikate und das Veröffentlichen von Rangordnungen fairer Hersteller, wie es Greenpeace für grüne Elektronik betreibe. Kampagnen für faire IT betreiben Jekutsch zufolge mehrere Initiativen wie Enough, Germanwatch, GoodElectronics und Weed. Deren Mitarbeiter recherchierten auch vor Ort und kümmerten sich um Lobbyarbeit.

Derzeit würden etwa in Paraguay ganze indigene Völker vertrieben, um Gold zu gewinnen. Das Edelmetall werde in Computern und Chips für die "etwas besseren Kontakte" benötigt. Bei einem Fabrikanten von Microsoft-Tastaturen in Südostasien müssten Arbeiter stupide Aufgaben wie das Einsetzen von je sechs Buchstaben übernehmen. Da die Keyboard-Modelle sehr unterschiedlich seien, käme das Programmieren von Robotern für derlei Tätigkeiten teurer als die menschliche Arbeitszeit. Bei Samsung seien in den eigenen Chipwerken "eine Menge Krebsfälle" registriert worden, während manche Löhne bei Foxconn in China nach wie vor unterhalb der örtlichen Lebenshaltungskosten lägen.

Ein Teilnehmer gab aber auch zu bedenken, dass ein komplett faires iPhone 3000 Euro kosten dürfte. Es sei daher besser, von der Industrie langlebigere Produkte einzufordern. (it)