Wirbel um Weihnachts-CD der SOS-Kinderdörfer

Einer Weihnachts-CD der SOS-Kinderdörfer zugeordnete rechtsradikale Titelinformationen sorgen für lautes Rauschen im virtuellen Blätterwald.

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Von
  • Sven Hansen

Eine bereits im Oktober vergangenen Jahres vom SOS-Kinderdorf e.V. an 50.000 Haushalte versendete Audio-CD mit Weihnachtsliedern ("Frohe Weihnachten: Kinderchöre singen die schönsten Lieder zur Weihnachtszeit") sorgt für Wirbel und Irritationen. Nach dem Einlegen der CD in den Computer wurden die Musikstücke unter anderem vom Windows Media Player mit falschen Titeln benannt, die allesamt einen nationalsozialistischen Hintergrund aufweisen.

Stein des Anstoßes: Vermutlich wurden absichtlich falsche Metainformationen für die Weihnachts-CD der SOS-Kinderdörfer bei Musikdatenbanken hochgeladen.

(Bild: SOS Kinderdorf. e.V.)

Gleich nachdem die ersten Beschwerden bekannt wurden, hatte der Verein nach eigenen Angaben reagiert und bei den Betreibern der Metadatendienste die Löschung des entsprechenden Datensatzes veranlasst. Wie die Daten überhaupt ihren Weg dorthin gefunden hatten, war allerdings unklar. Die SOS-Kinderdörfer gehen von einem "rechtsradikalen Hacker-Angriff" aus und haben Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Nun kämpfen sie gegen den Image-Schaden.

Es gibt zwei Szenarien, wie es zu dem Metadatendesaster kommen konnte: Entweder es hat jemand absichtlich falsche Metainformationen bei einer Musikdatenbank hinterlegt oder es gab den – unwahrscheinlicheren – Fall, dass die oft für die Identifizierung von Audio-CDs herangezogene Disc-ID ausgerechnet mit der einer rechtsradikalen Audio-CD übereinstimmt (Disc-ID Collision). Da es sich um eine Spenden-CD handelte, hatte man bei der Produktion der Disc auf einen International Standard Recording Code (ISRC) verzichtet, die eine eindeutige Identifikation der Audio-CD bei Musikdatenbanken ermöglicht hätte.

Die Weihnachts-CD enthält 14 Titel, denen nach Angaben der SOS-Kinderdörfer durch die Metadaten-Dienste durchgehend in Deutschland indizierte Lieder der Hitlerjugend zugeordnet wurden. Das wäre dann doch ein sehr großer Zufall, sodass die erste Annahme wahrscheinlicher erscheint, dass jemand absichtlich falsche Daten hinterlegt hat.

Auch der von den beiden mit der CD-Produktion beauftragten Firmen eingeschaltete Medienanwalt hält dies für das wahrscheinlichste Szenario. Im Gespräch mit heise online teilte er mit, dass die diffamierenden Informationen zunächst bei einem Player aufgetaucht seien, der seine Metainformation von der freien Datenbank freedb erhält; anders als bei kommerziellen Musikdatenbanken wie Gracenote oder AMG (Rovi) kann dort jeder User selbst Daten hochladen.

Nachdem die freedb-Informationen nach den ersten Hinweisen gelöscht wurden, tauchten sie einige Wochen später auch beim Abspielen mit dem Windows Media Player auf – verblüffend, weil Microsoft eigentlich mit kommerziellen Anbietern wie AMG zusammenarbeitet, bei denen die Nutzer eigentlich selbst keine Metadaten hochladen können. Auch Microsoft wurde kontaktiert und aufgefordert, die rechtsradikalen Titeleinträge zu entfernen. Microsoft sei der Aufforderung nachgekommen, sodass nun auch der Media Player wieder die richtigen Metainformationen anzeige. Allerdings habe Microsoft nicht offengelegt, welche der vom Media Player genutzten Musikdatenbanken die Titelinformationen enthielt. (vza) / (sha)