Solarpioniere in Afrika

In Kenia arbeitet die erste und einzige Solarmodul-Fabrik in ganz Ostafrika. Sie stemmt sich erfolgreich gegen die chinesische Übermacht.

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Von
  • Josephine Bollinger-Kanne
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In Kenia arbeitet die erste und einzige Solarmodul-Fabrik in ganz Ostafrika. Sie stemmt sich erfolgreich gegen die chinesische Übermacht.

Haijo Kuper ist der weltweit wohl einzige Photovoltaik-Manager, der seine Mittagspause in Gesellschaft von Wasserböcken, Marabus, Pelikanen, Zebras, Giraffen und Flusspferden verbringen könnte. Der Niederländer leitet die erste und einzige Fabrik für Solarmodule in ganz Ostafrika. Sie befindet sich in Naivasha, etwa 90 Kilometer nordwestlich von Nairobi. Der gleichnamige, für seine reiche Tierwelt berühmte See ist gesäumt von teuren Touristen-Lodges. Die Fabrik selbst steht in einem weniger exotischen Ambiente direkt an der Schnellstraße nach Nairobi, zwischen spärlichen Blumenrabatten und sonnenverbranntem Gras.

Abenteuerlich ist Kupers Job gleichwohl: Das Werk muss sich in einer Branche behaupten, in der westliche Hightech-Unternehmen reihenweise unter der chinesischen Übermacht einknicken. Und es sitzt in einem Land, das zwar eine relativ fortschrittliche Einspeisevergütung für erneuerbare Energien kennt, aber nur ein äußerst löchriges Stromnetz besitzt.

Das Wagnis begann für Kuper ganz konventionell mit einer Stellenanzeige. Seine Frau entdeckte im Internet die Ausschreibung für einen Posten als Werksleiter in Naivasha. Kuper, der schon nach seinem Mathematikstudium in die Welt gezogen war, nahm die Herausforderung an. Nach Stationen in Indien, Thailand, Simbabwe, Bahrain und Oman zog der heute 38-Jährige im Herbst 2010 mit Frau und Kindern nach Naivasha, um die Photovoltaik-Fabrik mit aufzubauen.

Sein Arbeitgeber ist der niederländische Gebäudetechnik-Spezialist Ubbink, eine Tochtergesellschaft der deutschen Centrotec Sustainable AG. Ubbink gehören 60 Prozent der Fabrik, der Rest ist im Besitz des kenianischen Vertriebspartners Chloride Exide, dem größten Händler von Solarprodukten in Ostafrika. Zum Aufbau steuerte das niederländische Außenministerium aus einem Fonds für nachhaltige Energie in Entwicklungsländern 700.000 Euro bei.

Ende August 2011 konnte die Produktion starten. Seitdem haben Module mit einer Gesamtleistung von 1,5 Megawatt die Werkstore verlassen. Im internationalen Vergleich handelt es sich damit um ein "Babywerk", gibt Kuper zu. Um eine einzige große Freiflächenanlage zu bestücken, müsste die Belegschaft mehrere Jahrzehnte arbeiten.

Doch Größe ist eben nicht alles. In Afrika gelten für die Photovoltaik andere Regeln als in der westlichen Welt. Der augenfälligste Unterschied: "Wir produzieren Module von 13 bis 125 Watt Leistung", sagt Kuper. Auf dem internationalen Markt seien Module mit 200 Watt und mehr üblich. Der Grund: In Industrieländern speisen Photovoltaikanlagen ihren Strom fast ausschließlich ins Netz ein. In Kenia sind hingegen nur 15 Prozent der Einwohner überhaupt ans Stromnetz angeschlossen. Praktisch alle afrikanischen Photovoltaik-Anlagen werden daher von solaren Selbstversorgern "off grid" betrieben – und denen reichen kleine, preiswerte Module.

Nach Angaben des kenianischen Energieministeriums sind im Land derzeit rund 200.000 Photovoltaik-Heimanlagen installiert. Sie leisten meist nur zehn bis zwanzig Watt. Gemeinsam erzeugen sie im Jahr neun Gigawattstunden Strom für Licht, Radios und Handys. Pro Jahr kamen zuletzt etwa 20000 neue Systeme hinzu, aber noch immer haben rund vier Millionen Haushalte im ländlichen Raum überhaupt keinen Strom. Der Bedarf für Solarmodule ist also groß, zumal die Sonne hier am Äquator mit vier bis sechs Kilowattstunden täglich auf jeden Quadratmeter einstrahlt. In Deutschland sind es nur rund drei Kilowattstunden.

Im Bürotrakt und in der hellen Werkshalle in Naivasha ist es trotz der brütenden Mittagshitze angenehm kühl. "Wir haben keine Klimaanlage", merkt Werkschef Kuper an. Stattdessen sorgt ein Lüftungssystem der Muttergesellschaft für frische Luft. Auch sonst achtet man auf Nachhaltigkeit: Die Fabrik nutzt Regenwasser, Solarwärme und Energiesparlam-pen, und sie steht auf dem Fundament einer alten Bauruine. Ein neuer Bauplatz musste deshalb nicht erschlossen werden. Zu ihrem Monatslohn von rund 180 Euro erhalten die Mitarbeiter zusätzlich täglich ein freies Mittagessen. In den umliegenden Gewächshäusern, die Rosen für die ganze Welt produzieren, verdienen die Menschen allenfalls zwischen 40 und 80 Euro im Monat – ohne Mittagessen. Jeden Donnerstag ist die Mahlzeit vegetarisch, um die Treibhausgase zu vermeiden, die in der Viehzucht anfallen.

Eine gewisse Dosis Idealismus und soziales Engagement für Afrika steckt also durchaus in der Solarfabrik. Mindestens genauso wichtig aber ist Centrotec-Chef Gert-Jan Huisman, ebenfalls Holländer, dass sich die Investition rechnet: Die Produktion vor Ort erspart Einfuhrzölle und Transportkosten, welche die Preise chinesischer Konkurrenzmodule nach oben treiben. Für Kenia als Standort spricht zudem, dass Markt und Rechtssicherheit hier vergleichsweise fortgeschritten sind; für Naivasha, dass die Kosten hier geringer sind als in Nairobi.

Einschließlich Transport, Lagerung und Abgaben kommen chinesische Hersteller im kenianischen Markt laut Kuper auf Kosten von einem Dollar pro Watt. "Wir produzieren aktuell zu 1,20 Dollar pro Watt", sagt Kuper. "Damit sind wir nahe genug dran, um konkurrenzfähig zu sein." Kuper ist überzeugt, bessere Qualität als die fernöstlichen Fabriken zu liefern, die den Aufpreis rechtfertigt. Bis Jahresende soll das Werk schwarze Zahlen schreiben.

Die Produktion jedenfalls brummt. Die Belegschaft wächst langsam, aber stetig – von anfänglich 35 Mitarbeitern auf mittlerweile 51. Zu Beginn mussten noch Personalvermittler nach geeigneten Kräften suchen. Heute melden sich Interessenten von allein. Mindestvoraussetzung ist ein Gesamtschulabschluss, in etwa vergleichbar mit dem deutschen Abitur. Die Ausbildung erfolgt meist direkt im Werk, manchmal auch in Holland.

An sechs Tagen pro Woche schiebt die Belegschaft zwei Zehn-Stunden-Schichten und produziert dabei wöchentlich 500 Module, die einen Wirkungsgrad von 15 Prozent erreichen. Jedes Modul besteht aus 36 polykristallinen Siliziumzellen, die aus Belgien zugeliefert werden. Vor Ort schneiden Mitarbeiter die in Standardgröße gelieferten Zellen mit einer Laserschneidemaschine so zurecht, dass sie in die kleineren Module für den afrikanischen Markt passen. Anschließend werden die Zellen verlötet und bei 180 Grad in eine witterungsbeständige Kunststofffolie einlaminiert. Das Laminieren sei der Engpass in der Produktion, sagt Kuper.