Bradley Manning als Wikileaks-Informant: "Es sind die wichtigsten Dokumente unserer Zeit"

Der US-Soldat gab vor Gericht zu, belastende Dokumente der US-Armee an Wikileaks übergeben zu haben. Dies erfolgte nur deshalb, weil von ihm kontaktierte US-amerikanische Medien nicht reagierten.

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Von
  • Detlef Borchers

In der Voruntersuchung vor einem Militärgericht in Fort Meade hat sich der US-Soldat Bradley Manning in 10 von 22 Anklagepunkten für schuldig erklärt. Den zentralen Anklagepunkt, ein Staatsfeind zu sein, wies Manning jedoch zurück. Der 25-Jährige verzichtete auf sein Recht zu schweigen und las eine 35 Seiten lange Erklärung seines Handelns vor. Danach erfolgte die Übergabe belastender Dokumente der US-Armee an Wikileaks nur deshalb, weil von ihm kontaktierte US-amerikanische Medien nicht reagierten.

In seiner Erklärung gab Manning zu, mehr als 20 geheime Dokumente aus dem Irak-Krieg und dem Afghanistan-Einsatz weiter gegeben zu haben, außerdem ein Video, das später unter dem Namen "Collateral Murder" bekannt wurde. Er habe diese Dokumente auf einem Memory-Stick in seiner Kamera gespeichert und bei einem Heimaturlaub in einem Buchladen von Barnes & Noble ins Internet geladen. Dann habe er sowohl die Washington Post wie die New York Times kontaktiert, die aber beide kein Interesse an dem Material gezeigt hätten. Schließlich habe er sich zwischen Politico und Wikileaks entschieden und das Material Wikileaks übergeben, nachdem er in einem Blizzard geriet und Politico nicht erreichen konnte. Bei Wikileaks habe er in sicheren Chats Kontakt mit einem Mitglied namens "Nathaniel" gehabt und die Übergabe der Dokumente besprochen. Manning betonte, dass er zu keinem Zeitpunkt von Wikileaks bedrängt wurde, das Material der Organisation zu überlassen.

"Die Entscheidung, diese Dokumente zu übergeben, habe ich ganz alleine getroffen. Ich übernehme dafür die volle Verwantwortung", erklärte Manning vor Gericht. In seiner Erklärung, die bald in den freigegebenen Akten auftauchen dürfte, schilderte Manning sein Entsetzen über die von ihm gefundenen Dokumente. Besonders das "Collateral Murder"-Video habe ihn beschäftigt, weil er zuvor das Buch "The Good Soldiers" von David Finkel gelesen hatte, das sich mit dem Einsatz der entsprechenden Brigade im Irak beschäftigte. So habe er von den vergeblichen Bemühungen der Nachrichtenagetur Reuters erfahren, die versuchte, das Video von der Ermordung ihrer Mitarbeiter zu erhalten. Dies habe ihn angespornt, selber Dokumente zu sichern.

"Ich halte diese Dokumente nach wie vor für einige der wichtigsten Dokumente unserer Zeit", erklärte Manning in seinem Plädoyer für den bewußten Akt des Whistleblowings. "Ich glaubte, die Depeschen würden uns nicht schaden, aber sie würden peinlich sein." Die US-amerikanische Gesellschaft habe ein Recht darauf, die wahren Kosten des Krieges zu kennen. "Ich glaubte, dass die Öffentlichkeit, insbesondere die amerikanische Öffentlichkeit eine allgemeine Debatte über das Militär und unsere Außenpolitik im Irak und in Afghanistan führen wird, wenn sie denn einmal diese Dokumente lesen könnte. Es wäre damit eine Chance für unsere Gesellschaft gegeben, sich Rechenschaft über diese Form des Gegen-Terrorismus abzulegen, in dem wir die menschliche Seite der Bewohner in diesen Ländern Tag für Tag missachten."

Militärrichterin Denise Lind hatte Manning gestattet, die am vergangenen Dienstag eingereichte Erklärung am Donnerstag vor Gericht vorzutragen. Sie wies den US-Gefreiten mehrfach darauf hin, dass er bis zur Einleitung des Hauptverfahrens sein Geständnis jederzeit widerrufen kann. Sie akzeptierte sein Geständnis, ließ aber alle 22 Punkte der Anklage zur Verhandlung zu. Am heutigen Freitag soll Manning kurz zu seiner Erklärung befragt werden, ehe im geheimen Teil des Verfahrens über die von Manning an Wikileaks übergebenen Dokumente beraten wird. Sie unterliegen nach wie vor der Geheimhaltung.

Das Hauptverfahren soll nach Aussage des Militärstaatsanwaltes Anfang August starten, während Mannings Verteidiger bereits Anfang Juni beginnen wollen. Wenn das Gericht in diesem Verfahren zur Einschätzung kommt, dass Manning nicht als Staatsfeind eingestuft werden könne, dürfte das Strafmaß geringer ausfallen und auf 20 Jahre Militärgefängnis hinauslaufen. (jk)