Jahr der Mathematik: What You Know About Math

Der Eröffnungsevent zum Jahr der Mathematik zeigte in Berlin die Strategie auf, die die Bürger für die Wissenschaft begeistern soll. Die Ideen der Mathematik schlummern tief im Hirn von uns allen und müssen nur durch geeignete Anstöße aufgeweckt werden.

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Von
  • Ralf Bülow

Es ist alles schon einmal da gewesen. Wie im platonischen Dialog "Menon" überliefert, schafft bereits ein tumber Sklave die nicht ganz einfache Verdopplung einer quadratischen Fläche, allein aus eigenem Denken heraus und gelegentlich motiviert durch Platons Lehrer Sokrates. Die Moral von der Geschichte: Die Ideen der Mathematik schlummern tief im Hirn von uns allen und müssen nur durch geeignete Anstöße aufgeweckt werden.

2400 Jahre später starteten das BMBF, die Deutsche Telekom Stiftung, der Verein Wissenschaft im Dialog und last, not least die Deutsche Mathematiker-Vereinigung einen zweiten Versuch in dieser Richtung. Am gestrigen Mittwoch eröffnete BMBF-Chefin Annette Schavan in Berlin das Jahr der Mathematik, das die Unterzeile "Alles, was zählt" trägt und mit dem sokratisch angehauchten Slogan "Du kannst mehr Mathe als Du denkst" wirbt.

Beim Auftakt-Event in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom kleidete die Ministerin die Projektstrategie in die Worte "Überall ist Mathe drin". Das Jahr soll der Öffentlichkeit Vielfalt und Bedeutung der Wissenschaft klarmachen und Kinder sowie Jugendliche für das Fach begeistern. Klaus Kinkel, Vorsitzender der Telekom-Stiftung, ergänzte, dass Bildung und Forschung ein Megathema und entscheidend für das Ansehen Deutschlands in der Welt wären. Einzig DMV-Präsident und TU-Berlin-Professor Günter M. Ziegler erinnerte noch an die Frage, was Mathematik "als solche" sei.

Die Leitlinien der Public Relations laufen definitiv anders und erscheinen manches Mal etwas arg von reinem Nützlichkeitsdenken geprägt. Der Festredner des Abends, Professor Heinz-Otto Peitgen von der Universität Bremen, wechselte jedenfalls in seinem faktengespickten Vortrag "Mathematik fürs Leben" von der Geometrie des Badezimmer-Spiegels mit leichter Hand zum Sierpinski-Dreieck sowie den Laplace-Fraktalen und zeigte schließlich, wie wichtig Letztere für die Leberchirurgie sind.

In Referaten wie diesem und auch im umfangreichen Presse- und Internet-Material erscheint die Mathematik teils als eine Art abgemagerte Physik, teils als Juniorpartner für die Anwendungen des täglichen Lebens – Mathematik und Finanzen und Kunst und Kommunikation und Technik und Sport und, und, und ... In den wenigen Fällen, wo es echt mathematisch zugeht, bleiben die Beweisgänge zweifelhaft – ist Zenon wirklich so leicht zu widerlegen?

Das Mathematikjahr steht oder fällt aber letzten Endes mit dem Engagement der Fans. Hier sind die Anzeichen durchaus ermutigend, ablesbar etwa an den 300 "Mathemachern", die sich schon für weitere Aktionen gemeldet haben. Beim Berliner Event sah es in dieser Hinsicht allerdings noch suboptimal aus. Nach den Reden, Statements und einer kleinen Rechenkonkurrenz im Saal strömte das Volk zum wartenden Buffet und ließ die wunderschönen "Imaginary"-Exponate links liegen.

Zu wünschen wäre den Machern des Mathematikjahres vielleicht noch eine Prise jener Souveränität, welche die Rapper der Teams TI-84 auszeichnet, und eben doch etwas Sinn für reines, unverfälschtes Rechnen. Ein guter Einstieg ist dazu ein Problem, dessen Lösung zwar nicht die Fields-Medaille einbringt, aber viel Spaß macht. Und nicht vergessen: Du kannst mehr Mathe als Du denkst!

Siehe zum Jahr der Mathematik auch:

(Ralf Bülow) / (jk)