Bruce Sterling: Startup-Gründer sind "Gehirn und Nervensystem des Finanzdrachens"

Der Cyberpunk-Autor hatte eine klare Botschaft für die Durchstarter der digitalen Wirtschaft parat: Sie seien Teil des Problems, eine unheilige Allianz aus "Hackerspace-Favelas" und dem Offshore-Kapital in Steuer-vermeidenden Geldwäscheregionen.

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Bruce Sterling: Bei den Startup-Machern handle es sich um eine kleine Elite kluger, junger Leute, die hart arbeiteten für eine noch kleinere Elite von "Baby-Boomer-Finanziers".

(Bild: Stefan Krempl / heise online)

Der Science-Fiction-Autor Bruce Sterling hatte bei seiner Abschlussrede für die Konferenz "Next" eine kurze und klare Botschaft für die Durchstarter der digitalen Wirtschaft parat. "Ihr seid das Gehirn und das Nervensystem" des Finanzdrachens, gab der Cyberpunk-Pionier am Mittwochabend in Berlin der versammelten Gründergemeinde mit auf den Weg. Bei den Startup-Machern handle es sich um eine kleine Elite sehr kluger, junger Leute, die hart arbeiteten für eine noch kleinere Elite von "Baby-Boomer-Finanziers". Sie ermöglichten es diesen so, nationale Regierungen "zu kaufen" und "herunterzufahren". Letztlich würden die Banker dabei auch die Mittelklasse und den Nationalstaat zerstören.

Sterling ließ keinen Zweifel daran, dass die Geschichte die "Startup-Kultur" derart einschätzen werde. Sie könne beschrieben werden als eine unheilige Allianz aus "Hackerspace-Favelas" und dem Offshore-Kapital in Steuer-vermeidenden Geldwäscheregionen. Letztlich lebten die Gründer so wie die Kolonialstaaten unter der Kontrolle eines großen Imperiums. "So lange, wie ihr die reichen Typen reicher macht, seid ihr Teil des Problems", erläuterte Sterling. Die Gründer, die ständig auf der Suche nach alte Geschäftsmodelle zerstörenden Ideen und Techniken seien, würden so zumindest das globale Finanzsystem keineswegs unterbrechen. Da reiche es auch nicht aus, einfach mehr Geld für sich zu behalten.

Die Investoren "sind nicht eure Freunde", führte der Schriftsteller aus. Sie hätten den Gründern bereits Ende der 1990er beim Ende des Dot.com-Booms in den Hintern getreten und es 2008 im Rahmen der "Finanzkrise" erneut getan. Jetzt drohe sich das Spiel mit der neuen Welle der Sparsamkeitspolitik zu wiederholen. Das höre er von Startups rund um die Welt, die letztlich überall gleich gestrickt seien und sich gemeinsamen Illusionen hingäben. Nähmen sie Wagniskapital an, steckten sie schon mitten in der Falle, da die Geldgeber als Beteiligte an dem Unternehmen dann in der Regel auf Kurz oder Lang die Firmengründer hinausekelten.

Mehrfach spielte Sterling auf das Motto der Konferenz "Here be Dragons" an, das 2009 auch bereits im Zentrum des 26. Chaos Communication Congress (26C3) und ursprünglich für noch unerkundete Gebiete auf mittelalterlichen Weltkarten stand. Als "den großen Drachen" bezeichnete er das internationale Finanzsystem, den Hort vielerlei Übels. Generell sei das Aufstreben der digitalen Ökonomie eine großartige Zeit, um über die Fabelwesen zu reden. Sterling, der statt geplanter 45 nur 15 Minuten redete und noch die vom US-Blogger Robert Scoble nach Berlin mitgebrachte Datenbrille Google Glass ausprobieren durfte, forderte eine "Taxonomie" der Drachen. Dabei seien die guten von den schlechten zu unterscheiden und letztere einzuzäunen. Dabei könnten die Deutschen gut helfen, da sie gut organisiert und für Erbsenzählerei bekannt seien. (jk)