Mit Nanopartikeln gegen bakterielle Infektionen

Biomimetische Materialien könnten helfen, antibiotikaresistente Erreger zu bekämpfen.

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Von
  • Mike Orcutt

Biomimetische Materialien könnten helfen, antibiotikaresistente Erreger zu bekämpfen.

Nanopartikel, die in den Zellmembranen roter Blutkörperchen stecken, können Toxine aus dem Körper entfernen und womöglich auch zur Heilung schwerwiegender bakterieller Infektionen eingesetzt werden. Das berichten Forscher um Professor Liangfang Zhang vom Institut für Nanoingenieurwesen an der University of California in San Diego. Das Verfahren könnte Giftstoffe neutralisieren, die von Bakterien abgegeben werden – darunter auch solche, die bereits gegen Antibiotika resistent sind. Selbst als Gegenmittel für Tiergifte von Schlangen oder Skorpionen ist die Methode laut Zhang denkbar.

Die von dem Forscherteam entwickelten Nanoschwämmchen gehen gegen sogenannte Pore-forming Toxins (PFT) vor, Giftstoffe, die Zellen töten, in dem sie Löcher in die Zellwand reißen. Sie gehören zu den am häufigsten in der Natur vorkommenden Proteintoxinen und werden von zahlreichen Bakterien ausgeschieden, darunter auch Staphylococcus aureus, von dem resistente Stämme (MRSA) existieren, die etwa in Krankenhäusern weltweit verbreitet sind. Durch MRSA kommt es zu Zehntausenden von Todesfällen im Jahr. PFTs stecken auch in vielen Tiergiften.

Es gibt eine Anzahl bestehender Therapiemöglichkeiten, bei denen die Molekularstruktur von PFTs verändert wird, was die zelltötende Wirkung reduziert. Damit das funktioniert, müssen die Wirkstoffe aber für die verschiedenen Bakterien und Tiergifte angepasst werden, was ein kompliziertes Unterfangen ist – es existieren über 80 Familien der schädlichen Proteine. Mit der Nanoschwämmchen-Therapie soll sich nun "jedes Einzelne von ihnen neutralisieren lassen, egal wie sie aussehen", sagt Zhang.

Zhang und seine Kollegen packten dazu biokompatible Polymernanopartikel in natürliche rote Blutkörperchen. Ein Einziges davon ergibt genügend Membranmaterial, um über 3000 Nanoschwämmchen zu produzieren, jeder davon ist nur rund 85 Nanometer im Durchmesser groß. Da rote Blutkörperchen das primäre Angriffsziel von PFTs sind, agieren die Nanoschwämmchen als Lockmittel, sobald sie im Blutkreislauf sind. Sie absorbieren die schädlichen Proteine und neutralisieren damit ihre Toxizität. Da sie so klein sind, können deutlich mehr Nanoschwämmchen im Blutkreislauf zirkulieren als rote Blutkörperchen. Das bedeutet, dass sie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit mit den PFTs interagieren und diese aufnehmen. Der "Feind" wird so also auf eine falsche Fährte geschickt.

In Tierversuchen zeigten die Forscher, dass die neue Therapie die Überlebenschancen von Mäusen, denen eine eigentlich tödliche Dosis eines der potentesten porenbildenden Gifte gegeben wurde, deutlich erhöhen kann. Leberbiopsien einige Tage nach der Injektion zeigten zudem keine Schäden, was demonstrieren soll, dass die Nanoschwämmchen nach der Toxinaufnahme über die Leber sicher "verdaut" wurden.

Wenn der Wirkstoff eine Zulassung der US-Gesundheitsbehörden erhält, würde er vor allem zur Behandlung bakterieller Infektionen eingesetzt, besonders dann, wenn es sich um resistente Stämme handelt. Die Neutralisierung der PFTs schützt nicht nur den Körper, sondern schwächt auch die Bakterien, so dass das Immunsystem wirksamer angreifen kann. Die Toxine schützen sie dann nicht mehr, sagt Zhang. Dies ist auch eine der Ideen hinter einem anderen neuen Behandlungsansatz, der sogenannten Antivirulenz-Therapie.

Zhang will mit seiner Gruppe demnächst mit klinischen Studien starten. Er ist optimistisch, dass sie ein Erfolg werden. Das Nanopolymer wurde bereits von der US-Gesundheitsaufsicht zugelassen und die roten Blutkörperchen gelten als sicher, weil sie natürlicher Herkunft sind. "Im Vergleich zu anderen neuen Medikationen erwarte ich deutlich weniger Hürden bei den klinischen Studien und der anschließenden Zulassung", ist der Forscher überzeugt. ()