US-Telcos verteidigen Unterstützung des NSA-Lauschprogramms

Anbieter wie AT&T, Verizon oder Qwest sehen ihre teilweise rechtlich nicht abgesicherte Kooperation mit US-Sicherheitsbehörden als "im öffentlichen Interesse" an, während das Pentagon mithilfe des FBI illegal an Finanzdaten gekommen sein soll.

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Große US-Telekommunikationsanbieter wie AT&T, Verizon oder Qwest haben laut Medienberichten ihre Kooperation mit der National Security Agency (NSA) beim Abhören internationaler Telefongespräche und der Internetkommunikation ohne richterliche Genehmigung verteidigt. John Dingell, der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des US-Repräsentantenhauses, hatte die Firmen gemeinsam mit zwei weiteren Demokraten um Stellungnahme rund um ihre Verstrickung in das heftig umstrittene NSA-Lauschprogramm gebeten. Konkrete Äußerungen lehnten die Telcos daraufhin unter dem Hinweis ab, dass die US-Regierung die gewünschten Informationen als Staatsgeheimnis betrachte. AT&T gab aber allgemein zu bedenken, dass die Hilfssheriffsdienste doch traditionell als Aufgabe "im öffentlichen Interesse" angesehen worden seien.

Verizon wurde konkreter und argumentierte mit dem Hinweis, dass durch die auf "Notfälle" beschränkte Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden bereits schwere Verbrechen verhindert worden seien. Man habe dafür in 720 Fällen seit 2005 Daten auch ohne Richterbeschluss herausgegeben. Anfragen des FBI nach umfangreichen Listen und "Anrufnetzwerken", welche Person wann mit wem gesprochen hat, habe man aber nicht liefern können. Entsprechende Informationen würden in der verlangten Form gar nicht gespeichert.

Generell verwiesen AT&T und Verizon auf eine Vielzahl rechtlicher Normen auf Bundes- und Länderebene einschließlich des gerade besonders kontrovers diskutierten Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA), die sie zur Mitarbeit beim Abhören oder zur Herausgabe von Verbindungsdaten verpflichten würden. Dabei gehe es um die Aufklärung von Verbrechen und die Abwehr von Terrorismus. Das von der Bush-Regierung anscheinend schon vor den Anschlägen vom 11. September 2001 gestartete NSA-Lauschprogramm versuchten sie dabei zu umgehen. Verizon verwies aber auf "alte, allgemeingesetzliche Prinzipien", wonach Bürger und Firmen sich bei der Bitte um Hilfe durch Behörden auch auf die Einschätzungen der Regierung verlassen könnten. Ähnlich argumentiert AT&T: Solange der US-Justizminister versichert habe, dass eine Abhöraktion rechtmäßig und erforderlich sei, habe man dementsprechend unbedenklich "in gutem Glauben" handeln können. Zur Verantwortung gezogen werden müssten die Politiker, in deren Auftrag man gehandelt habe.

Die Telcos wollen mit dieser Rechtfertigungslogik vor allem Klagen wegen der ungesetzlichen Bespitzelung ihrer Kunden im Rahmen des NSA-Lauschprogramms den Wind aus den Segeln nehmen. Sie sehen sich hier "unfair" zwischen alle Stühle gedrängt, obwohl sie doch "nur" den Anweisungen hoher Regierungsvertreter gefolgt seien. Den Rechtsweg beschritten hat unter anderem die US-Bürgerrechtsbewegung Electronic Frontier Foundation (EFF) mit einer Klage gegen AT&T wegen der Verletzung von Datenschutzbestimmungen. Die Nutzervertretung bezeichnet die Abhöraktion als großen "Fischzug", bei dem die Telefongespräche und E-Mails von US-amerikanischen Normalbürgern überwacht worden seien. Ohne die Kooperation der Telcos wäre dieser nicht möglich gewesen.

Für den Demokraten Dingell sind mit den Verlautbarungen der Firmen nähere Erläuterungen über das Lauschprogramm vor dem US-Kongress unerlässlich. Die Angelegenheit sei weiterhin sehr obskur und eine Stellungnahme der Bush-Regierung überfällig. Im US-Repräsentantenhaus geht es bereits am morgigen Mittwoch um die Verlängerung der jüngsten Novelle des FISA-Gesetzes, dem vor der Sommerpause Hals über Kopf vom US-Parlament noch verabschiedeten Protect America Act. Dieser lässt dem Geheimdienst NSA weitgehend freie Hand beim Abhören der internationalen Telefon- und Internetkommunikation. US-Präsident George W. Bush hat sich bereits wiederholt für die Verlängerung des Ende Januar auslaufenden Gesetzes ausgesprochen und auch den Einbau einer Klausel zur Straffreiheit für die Schnüffelhelfer in der Wirtschaft gefordert. Die Demokraten sind dagegen und wollen die NSA-Befugnisse mit dem Entwurf für den Restore Act teilweise beschränken.

Ähnlich wie die großen Telcos hat derweil auch der Kabelnetzbetreiber Comcast – allerdings unfreiwillig – Einblicke in seine Überwachungsgepflogenheiten und die Unterstützung von US-Sicherheitsbehörden gegeben. So ist der Wissenschaftsvereinigung Federation of American Scientists ein Handbuch (PDF-Datei) jüngeren Datums für die Zusammenarbeit des Konzerns mit Strafverfolgern in die Hände gefallen. Comcast speichert demnach ohne gesetzliche Auflage IP-Adressen sechs Monate lang. Ungelesene Mails werden nach 45 Tage, über den Dienst versandte nach 30 Tagen gelöscht. FISA-Anforderungen werden nur manuell an FBI-Agenten ausgehändigt. Bei gerichtlich angeordneten TK-Überwachungsmaßnahmen berechnet Comcast 1000 US-Dollar für die Einrichtung und 750 US-Dollar für den laufenden Betrieb vom zweiten Monat an. Für 150 US-Dollar pro Woche gibt der Betreiber Verbindungsdaten heraus. Hinweise auf eine Kooperation mit Behörden über die gesetzlichen Anforderungen hinaus finden sich in dem Dokument nicht.

Die US-Bürgerrechtsvereinigung American Civil Liberties Union (ACLU) hat derweil weitere Hinweise auf den Missbrauch so genannter National Security Letters durch das Pentagon und das FBI in Dokumenten entdeckt, welche die Behörden auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes der USA herausrücken mussten. Mit den Briefen kann die Strafverfolgungsbehörde in vielen Fällen einen gerichtlich nicht zu genehmigenden Zugang zu personenbezogenen Daten von Verdächtigen zur Wahrung der nationalen Sicherheit verlangen. Laut der ACLU hat das US-Verteidigungsministerium in mehreren hundert Fällen in Kooperation mit dem FBI widerrechtlich von dem Instrument Gebrauch gemacht und Finanzdaten von Bürgern ohne richterliche Genehmigung abgefragt. "Die erweiterte Rolle des Militärs beim Sammeln inländischer Geheimdienstinformationen ist beängstigend", kommentierte eine ACLU-Anwältin die aufgedeckten Vorgänge. Das Pentagon dürfe sich nicht weiter ohne ernsthafte Kontrolle heimlich Einblicke in private Datenbestände verschaffen. (Stefan Krempl) / (jk)