Elektronische Gesundheitskarte: Zwischenbericht vom 10.000er-Test veröffentlicht

Der mehrmals von den beteiligten Parteien überarbeitete Zwischenbericht zeichnet ein durchwachsenes Bild vom Einsatz der neuen Karte. So wird etwa der Support durch Praxisverwaltungssoftware-Hersteller fast durchgehend als ungenügend bewertet.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Projektgesellschaft Gematik hat den Zwischenbericht zum sogenannten 10.000er-Feltest nach Release 1 veröffentlicht. Dieser bis zum 31.01.2009 laufende Feldtest in sieben Testregionen soll wichtige Aufschlüsse über die Praxistauglichkeit des gesamten Systems geben. Die Testergebnisse ("Lessons learned") fließen direkt in den bevorstehenden Einsatz der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ein. Beim Basis-Rollout spielen die getesteten Anwendungen wie das Auslesen der Versichertendaten und das Speichern von eRezepten und Notfalldatensätzen aber keine Rolle.

Der mehrmals von den beteiligten Parteien überarbeitete Zwischenbericht auf dem Stand vom 18.07.2008 zeichnet ein durchwachsenes Bild vom Einsatz der neuen Karte. Insgesamt waren am Feldtest in den Regionen 188 Ärzte, 115 Apotheken und 60.281 Versicherte beteiligt und aufgefordert, die neue Karte zu nutzen. 14091 Lesevorgänge der Versicherten-Stammdaten (VSD) wurden registriert, 3201 elektronische Rezepte wurden geschrieben, doch nur 1239 wurden eingelöst. Diese große Differenz erklärt der Zwischenbericht damit, dass die entsprechenden Lesegeräte in den Apotheken als Standalone-Systeme meistens ausgeschaltet gewesen seien und gerade in Stoßzeiten keine Zeit vorhanden war, die Computer zu starten.

Ein Zeitproblem anderer Art behinderte die Notfalldatensätze (NFD): Insgesamt wurden 281 Notfalldatensätze auf eine eGK geschrieben und 170 mal ausgelesen. 59 Versicherte widerriefen und sperrten ihre NFD. Durchschnittlich wurden für die Anlage eines NFD 20 Minuten benötigt, weil die Ärzte keine Möglichkeiten haben, Daten von chronischen Krankheiten etc. aus ihren Praxis-Systemen auf die Karte zu kopieren. Dies führte dazu, dass zunehmend weniger Datensätze geschrieben wurden. Zudem gab es Probleme bei der PIN-Eingabe bei Anlage dieser Datensätze, weil das Zeitfenster für die Eingabe auf 10 Sekunden begrenzt war. Im weiteren Verlauf des Feldtests will man das Fenster 30 Sekunden lang offen lassen.

Als grober Mangel wird im Zwischenbericht deutlich, dass kaum zuverlässige Angaben über das Zeitverhalten gesammelt wurden, weil die Zeiten nur in zwei Testregionen mit einem Logging-Tool gestoppt wurden. In allen anderen Regionen schätzte das Behandlungspersonal die Lesegeschwindigkeit etwa der VSD und trug dies auf einem Papierbogen ein. Aus diesem Grund verhandelt die Gematik derzeit mit Steria Mummert, dem Hersteller des Logging-Programms iEvaluate, um für alle Testregionen ein Werkzeug für valide Zeitangaben zur Verfügung zu haben. Bis dahin werden nur Angaben aus Bayern und Rheinland Pfalz gewertet. Danach braucht das Lesen von eGK und HBA (Heilberufsausweis) durchschnittlich weniger als 5 Sekunden, das Schreiben eines elektronischen Rezeptes jedoch mehr als 15 Sekunden.

Zu den im Zwischenbericht genannten Mängeln, die die Beteiligten störte, gehört ein "deutliches Delta" im Support durch die Software-Hersteller. Besonders die Hersteller von Praxisverwaltungssoftware (PVS) bekamen mit Ausnahme von Baden-Württemberg ein "ungenügend" – in Baden-Württemberg wählte ein PVS-Hersteller die Testärzte aus. Generell zeigt der Zwischenbericht, dass etliche Ärzte Kritik üben, obwohl nur Ärzte für die Feldtests ausgewählt wurden, die der eGK "politisch positiv" gegenüberstanden. "Mittels erheblicher Medien- und erhöhter Kommunikations- und Informationsarbeit konnte ein Umschwenken des Meinungsbildes und die Auflösung von Unsicherheiten bewirkt werden, so dass ein befürchtetes Abbrechen der Testarbeiten abgewendet werden konnte", heißt es im Zwischenbericht.

Auch auf der Seite der Patienten scheint noch ein erheblicher Aufklärungsbedarf zu bestehen. Dies betrifft vor allem die Frage der Lichtbilder, weil die Qualität der gelieferten Passbilder vielfach unzureichend war. Dies betrifft aber auch die Besitzer einer eGK. Viele haben die Gewohnheiten der herkömmlichen Krankenkassenkarte (KVK) beibehalten und bringen ihre Karte nur zum Quartalsanfang mit. Im Unterschied zur KVK muss die eGK aber bei jedem Arztbesuch vorgelegt werden. Das nachlässige Verhalten soll eine Aufklärungskampagne abstellen.

Insgesamt zieht der Zwischenbericht das Fazit, dass die Einbettung der Arbeit mit eGK und HBA "nicht oder nur ungenügend" an die Abläufe in Praxen und Apotheken angepasst wurde. Zu Krankenhäusern enthält der Zwischenbericht wenige Angaben, da die Krankenhaus-Informationssysteme (KIS) erst "in Ansätzen" für die Arbeit mit den neuen Karten vorbereitet sind. Neben besseren Testreihen zur Feststellung der Kompatibilität aller Komponenten, will die Gematik klarere Vorgaben für Hard- wie Softwarehersteller veröffentlichen, zu denen auch Vorgaben gehören sollen, wie ein "Workflow" in einer Praxis aussehen soll. (Detlef Borchers) / (pmz)