Netzneutralität: Wettbewerber stellen sich hinter Telekom

Beim "Fachdialog Netzneutralität" im Bundeswirtschaftsministerium sympathisierten Branchenverbände mit dem Telekomvorstoß, Diensteanbieter gesondert zur Kasse zu bitten. Seitens der Politiker überwog die Kritik an einem "Internet der Deals".

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Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) und der Bundesverband Breitbandkommunikation unterstützen prinzipiell den heftig umstrittenen Vorstoß der Deutschen Telekom, Inhaltezulieferer im Internet für die Übertragung ihrer Services gesondert zur Kasse zu bitten.

"Wir sind uns absolut einig, auch Diensteanbieter an der Abrechnung zu beteiligen", erklärte VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner am Mittwoch beim 4. Fachdialog Netzneutralität des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin. Das "Best-Effort-Prinzip", wonach Netzpakete mit der gleichen Priorität behandelt und schnellstmöglich in bestmöglicher Qualität weitergeleitet werden, stehe schließlich nicht für den Erfolg, sondern für die "technische Unfähigkeit" des herkömmlichen Internets, bestimmte Übertragungsqualitäten zusichern zu können. Der Kunde wünsche diese aber und sei auch bereit, dafür zu bezahlen.

Auch für Grützner führt an Überholspuren im Netz kein Weg vorbei. "Es ist ein völlig legitimer Ansatz, hier über neue Geschäftsmodelle nachzudenken", betonte der VATM-Chef. Bei dem Thema sei es aber wichtig, "nicht in die Netzneutralitätsdiskussion hineinzukommen". Der Telekom warf er vor, eine große Verunsicherung geschürt zu haben. Damit viele Kunden mehr für hochwertige Zusatzdienste bezahlten, dürfe man "nicht irgendetwas drosseln", sondern müsse ein attraktives "Mehr" bieten. Zudem könne man seine Kunden nicht auffordern, mit Vertragsänderungen quasi "ihr Todesurteil zu unterschreiben", wenn unklar sei, welche Volumenbegrenzungen 2016 tatsächlich eingeführt werden.

Die Debatte sei "ein bisschen unglücklich gelaufen" sagte Ralf Kleint vom Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko). Das Werben für das Übertragen von Diensten in Echtzeit gegen Aufpreis dürfe nicht verknüpft werden mit Produkten, die "neutral durchgeleitet werden". Die Netzbetreiber müssten aber sehen, dass sie angesichts der rasant wachsenden Nutzung insbesondere von Videodiensten mit dem Bau der Infrastrukturen nachkämen. Sonst sei auch das Best-Effort-Internet nicht zu gewährleisten. Priorisierungen einzelner Diensteklassen müssten aber immer "anbieterneutral" erfolgen.

"Es wäre problematisch, einen Diensteanbieter zu bevorzugen, der mehr zahlt für einen Managed Service", stellte auch Hans-Joachim Otto, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, klar. Jeder müsse die Möglichkeit haben, seine Inhalte an die Nutzer zu bringen. Dafür dürfe er nicht gezwungen werden, mit der Telekom einen Vertrag abzuschließen. Die Bundesregierung werde die Netzneutralität, die das Fundament für ein offenes und freies Internet bilde, daher "zielorientiert" verteidigen. Noch umstritten sei nur, ob dazu der mit der jüngsten Novelle des Telekommunikationsgesetzes eröffnete Weg einer Verordnung oder der einer zusätzlichen gesetzlichen Verankerung des Prinzips beschritten werde.

"Ich möchte kein Internet der Deals", kritisierte auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek die Pläne des Bonner Platzhirschen. Er rieb sich besonders daran, dass ein Endkunde bei der Telekom demnach nicht eine garantierte Übertragungsgeschwindigkeit etwa in der Kategorie Audiodienste buchen könne, sondern derzeit nur das Streaming-Angebot Spotify. Einzelne Anbieter dürften etwa auch im Bereich Video on Demand nicht bevorzugt werden. Dies müsse die Telekom klarstellen und ihre Salamitaktik beenden, sonst komme die Verordnung schneller, als viele glaubten.

Grundsätzliche Bedenken gegen Managed Services führte Klaus Landefeld vom Verband der deutschen Internetwirtschaft eco ins Feld. Der Kunde will seiner Meinung nach schlicht einen Netzzugang und sich darauf basierende Dienste selbst auswählen. Dies sei mit dem Prinzip von Managed Services ganz schwer vereinbar, da diese gesonderter Kapazitäten bedürften, länger vorbereitet werden müssten und so zu hohen Eintrittsbarrieren führten.

Jan Krancke, Regulierungsbeauftragter der Telekom, ergänzte, dass bei der Drosselgeschwindigkeit auf derzeit vorgesehene 384 KBit/s noch nicht das letzte Wort gesprochen sei: "Wir wollen die Werte kontinuierlich überprüfen, auch die Menge des eingeschlossenen Volumens." Es mache keinen Sinn, "dass wir den Großteil unserer Kunden in die Drosselung laufen lassen". Zugleich versicherte er, dass die geplante Überholspur nicht zu Lasten des "Best Efforts"-Netzes gehen werde. (axk)