Röslers Initiative zur Netzneutralität enthält Schlupflöcher

Auch mit der geplanten Verordnung für ein offenes Internet könnten Provider Dienste mit speziellen Qualitätsklassen und davon abhängige Volumentarifsysteme einführen. Klarer fällt das Nein zum Routerzwang aus.

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Die geplante Verordnung zur Netzneutralität aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) dürfte Verfechter des offenen Internets enttäuschen: Laut einem heise online vorliegenden aktuellen Entwurf sollen Provider weiterhin Dienste mit verschiedenen Qualitätsklassen und davon abhängige Volumentarifsysteme einführen können. Voraussetzung dafür ist, dass das "Best-Effort-Internet", in dem alle Datenpakete mit der gleichen Priorität behandelt werden, nicht durch "Managed Services" verdrängt wird.

Das Best-Effort-Prinzip dürfe nicht "beschränkt" werden, heißt es in dem elfseitigen Vorstoß von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Die "willkürliche Verschlechterung von Angeboten oder die ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs in den Telekommunikationsnetzen" sei unzulässig. Betreiber dürften auch keine entgeltlichen Vereinbarungen mit Inhalteanbietern abschließen, um Verbrauchern so "einen bevorzugten Zugang zu deren Inhalten und Anwendungen zu ermöglichen".

Andererseits stellt eine "inhaltsneutrale, an technischen Erfordernissen orientierte" Klassifizierung von Datenpaketen in Form von "Qualitätsdiensten" nach Ansicht des BMWI keine willkürliche Verschlechterung der Angebote Dritter dar.Auch eine "Differenzierung von Entgelten" nach entsprechenden Klassen sei nicht als Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs aufzufassen, solange der Verbraucher eine Wahl habe.

Damit will das Wirtschaftsressort im Einklang mit den Netzneutralitätsplänen auf EU-Ebene den Netzbetreibern Geschäftsmodelle ermöglichen, um Geld für den "Betrieb und den Ausbau des Netzes" einnehmen zu können. Dabei sei aber sicherzustellen, dass wettbewerbswidriges Verhalten schon im Vorfeld verhindert und die Grundsätze des Netzzugangs für Verbraucher und Diensteanbieter gewährleistet sind.

In dem Papier positioniert sich das Ministerium gegen den "Routerzwang", den einzelne Zugangsanbieter ihren Kunden mit dem Segen des Regulierers bereits auferlegen. Demnach dürften Provider nach Maßgabe des Gesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationseinrichtungen den Netzzugang nicht nur über ein von ihnen bestimmtes Endgerät ermöglichen. Hier müsse der Nutzer die freie Wahl haben.

Das Papier ist am Montag zur Abstimmung an die anderen Ressorts gegangen. Für Juli ist eine Anhörung dazu im Wirtschaftsministerium geplant, der Kabinettsbeschluss soll noch vor den Bundestagswahlen im September erfolgen. Die Verordnung bedürfte im Anschluss aber noch der Zustimmung des Bundestags und des Bundesrats.

Ob die Initiative soweit kommt, ist nicht absehbar. Dem Vernehmen nach soll die Deutsche Telekom bereits ihre Lobbymaschine gegen das Vorhaben in Gang gebracht haben, obwohl ihr heftig umstrittenes Volumenmodell mit eingebauter Geschwindigkeitsdrossel dem Stand nach an sich wohl nicht direkt davon betroffen wäre. So ist unklar, ob der Entwurf überhaupt schon im Lauf der Woche an Lobbyverbände zur Kommentierung verschickt werden darf. (vbr)