EU-Kulturminister für aktivere Rolle der Provider im Kampf gegen Piraterie

Die Kulturminister der 27 EU-Mitgliedsstaaten haben sich auf einem informellen Treffen in Versailles auf eine gemeinsame Linie zum Schutz geistigen Eigentums verständigt.

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Von
  • Monika Ermert

Internetanbieter sollen künftig eine aktivere Rolle bei der Information ihrer Kunden über Urheberrecht und Urheberrechtsverstöße übernehmen. Darauf einigten sich die Kulturminister der 27 EU-Mitgliedsstaaten bei ihrem informellen Treffen heute in Versailles. Entsprechende Vorschriften in den Vorschlägen der Europäischen Kommission bei der Reform des Telekompaketes seien daher zu unterstützen, erklärte die französische Kulturministerin Christine Albanel in einem Resümee des Treffens. Die Provider sollten allerdings durch die vorgesehenen Maßnahmen nicht in signifikantem Ausmaß finanziell belastet werden, meinten die Minister.

Albanel bedauerte, dass im bisherigen Telekom-Richtlinienpaket der EU noch keinerlei Regelungen zum Schutz des Geistigen Eigentums verankert gewesen seien. Mit der anstehenden Novelle soll sich das ändern. Von Internetsperren für Nutzer, die nach französischem Modell mit Hilfe der Provider und einer eigenen Behörde verhängt werden sollen, ist im ausführlichen Abschlussbericht des Treffens dabei nicht explizit die Rede. Allerdings verweist die Ministerin auf die bestehende freiwillige Zusammenarbeit mancher Provider mit Rechteinhabern und Behörden.

Der deutsche Kulturstaatsminister Bernd Neumann nannte die Bekämpfung der Online-Piraterie eine Voraussetzung für das Vertrauen der Inhalteanbieter in den Online-Markt. "Eine Verpflichtung der Serviceprovider, Nutzer auf urheberrechtliche Verpflichtungen und Verstöße hinzuweisen, ist ein Schritt in die richtige Richtung", teilte Neumann nach dem Treffen in Versailles am heutigen Dienstag mit.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft (ECO) warnte anlässlich des Ministertreffens davor, Internet Service Provider noch mehr als bisher zu Hilfssheriffs zu machen. Die Unternehmen seien für Urheberrechtsverletzungen nicht verantwortlich und hätten nicht den Hauch einer Chance zu beurteilen, wo die Grenze zwischen erlaubtem und unerlaubtem Handeln der Kunden jeweils verlaufe. Der Verband kritisierte insbesondere das französische Modell, den Internetzugang als Reaktion auf mutmaßliche Urheberrechtsverletzungen "zwangsweise stillzulegen", als einen Eingriff in die Kommunikationsgrundrechte der Bürger. Musik- und Filmindustrie hätten mit derartigen Forderungen jedes Maß verloren.

Das französische Modell sieht vor, auf der Basis einer reinen Verwaltungsentscheidung und ohne richterliche Überprüfung die Nutzer verdächtiger Anschlüsse zu verwarnen und im weiteren Verfahren ihre Internetanschlüsse zu sperren. Provider hätten ohne richterlichen Beschluss Anschlussdaten an die Behörden herausrücken und dürften zudem keine Kunden akzeptieren, die während einer – dann allerdings richterlich überprüften – Sperrung versuchen, einen Neuanschluss zu beantragen.

Die Ministerrunde in Versailles widerspricht mit ihrer heutigen Übereinkunft, die Provider vermehrt in die Verantwortung zu nehmen, nicht nur Vertretern der Internetwirtschaft in Europa, sondern auch den zuständigen Ausschüssen des Europaparlaments. Der für die Genehmigungsrichtlinie zuständige Ausschuss hatte Anfang des Monats die Möglichkeit zurückgewiesen, die Vergabe allgemeiner Providerlizenzen an "Bedingungen zu knüpfen, die das Urheberrecht und Rechte an geistigem Eigentum betreffen" (Genehmigungsrichtlinie, Anhang 1 Teil A Punkt 19, Vorschlag der Kommission, PDF-Datei). Solange das Telekom-Paket nicht durch sei, könne man dem Frieden aber nicht trauen, sagte dazu eine Sprecherin des Verbands. Die Kulturminister hätten in der Regel ein offenes Ohr für die Musik- und Filmwirtschaft.

Keine Hinweise gibt es bislang, wie es unter mit der Fortschreibung der sogenannten Durchsetzungsrichtlinie für geistiges Eigentum (Intellectual Property Enforcement Directive, IPRED) weitergehen soll. Die Nachfolgerichtlinie IPRED2, die strafrechtliche Sanktionen gegen die Verletzung von Urheberrechten und weiteren Schutzrechten in der Gemeinschaft harmonisieren sollte, liegt derzeit auf Eis. Dagegen bezeichnete Luc Chatel, französischer Minister für Urheberrechtsfragen und Tourismus, die Verabschiedung eines in die gleiche Richtung gehenden internationalen Abkommens (Anti-Counterfeit Trade Agreement, ACTA) als eine Priorität der französischen Präsidentschaft. Die hinter verschlossenen Türen diskutierten ACTA-Entwürfe umfassen teilweise auch Regelungen bezüglich der Rolle der ISP. (Monika Ermert) / (vbr)