Microsoft-Lobbyist: IBM macht massiv Druck gegen Office Open XML

Mike Cosse beklagte sich bei einer Diskussion zu Anforderungen an IT-Applikationen für die Informationsgesellschaft über ein Komplott gegen die ISO-Weihen für Microsofts Dokumentenformat. Der Microsoft-Abgesandte hatte kein leichtes Spiel auf dem Podium.

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Bei Microsoft ist nach dem vorläufigen Scheitern der Standardisierung des hauseigenen Dokumentenformats Office Open XML (OOXML) durch die Internationale Organisation für Normung (ISO) von einem Komplott gegen den Softwareriesen die Rede. "Wir haben eine Spezifikation für ein offenes Dokumentformat auf den Weg gebracht", erklärte Mike Cosse, Leiter der Politikabteilung bei Microsoft Deutschland, am gestrigen Dienstagabend bei einer Diskussionsrunde der Berliner Initiative "Projekt Zukunft" über die Anforderungen an die Software für die Informationsgesellschaft. Einen Schuldigen für das große Zaudern bei der Standardisierungsorganisation hatte der Lobbyist auch rasch ausgemacht: Der alte Konkurrent IBM tue "alles", damit es mit dem Vorstoß für ein zweites offenes Dokumentenformat neben ODF (OpenDocument Format) nicht klappe.

Cosse räumte zwar ein, dass die Redmonder eine "etwas umfangreichere Dokumentation" herausgegeben hätten als die ODF-Befürworter. Er leugnete aber, dass Microsoft seinerseits Einfluss auf den bisherigen Abstimmungsprozess bei der ISO genommen habe. Nationale Standardisierungsgremien wie das DIN würden sich mit OpenXML beschäftigen. "Da haben wir überhaupt keinen Einfluss mehr darauf." Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) beklagte jüngst dagegen, dass Microsoft die Arbeit der Normierungsausschüsse unter anderem in Schweden, Dänemark, der Schweiz, Portugal oder Italien mithilfe von Strohmännern untergraben habe. Während der ersten Wahlrunde war es unter anderem auch hierzulande zu Berichten über Unstimmigkeiten gekommen.

Weiter hielt der Politikbeauftragte Microsofts an der Haltung des Konzerns fest, dass es auch auf offene Standards Patentrechte geben dürfe. Mit Open-Source-Entwicklungsmodellen passt ein solcher Ansatz freilich nicht zusammen. Man dürfe offene Standards aber auch nicht mit quelloffener Software gleichsetzen, betonte Cosse. Eine Art Zwangslizenz für gewerbliche Schutzrechte reiche aus, um den Anforderungen Genüge zu tun.

Insgesamt hatte der Abgesandte des Softwaregiganten kein leichtes Spiel auf dem Podium. So lobte Stefan Jähnichen, Leiter des Fraunhofer-Instituts Rechnerarchitektur und Softwaretechnik (FIRST), Open Source als Innovationsmodell. Dieses habe "vielleicht auch etwas mit Demokratie zu tun, weil jeder beteiligt sein kann". Man brauche entweder "viel Geld oder eine große Community", um ein neues größeres Computerprogramm auf den Markt zu bringen. "Die Community ist da vielleicht ein bisschen schneller mit der Innovation." Gerade für die Forschung sei freie Software wichtig, da sich Prototypen häufig allein mithilfe einer größeren Entwicklergemeinde nach dem Open-Source-Prinzip marktfähig machen lasse. Geld könne um das hervorgebrachte Produkt herum mit Service oder zusätzlichen Bibliotheken verdient werden.

Auch Michael Pemp von der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft nannte freie Software in einem Atemzug mit Innovation. Gleichwohl sei Linux für die Verwaltung auch letztlich nicht umsonst zu erhalten, sodass in der Hauptstadt eine Entscheidung für oder gegen Open-Source-Programme immer wieder im Einzelfall anhand der umstrittenen Wirtschaftlichkeitsvorgaben des Senats neu getroffen werden müsse. Zugleich müsse er an die über 3000 mittelständischen IT-Dienstleister in Berlin denken, die von Auftrags- und Applikationsentwicklung leben würden. "Das geht besonders gut, wenn man einen offenen Zugang und offene Standards hat."

"Es ist schön, wenn jede Verwaltung frei entscheiden kann", entgegnete dem Behördenvertreter wiederum Peer Heinlein, Geschäftsführer der Heinlein Professional Linux Support GmbH. Die Schwierigkeiten würden aber häufig schon bei der Wahl der IT-Grundplattform starten, da diese eine "gewisse Heirat" darstelle. Würden an diesem Dreh- und Angelpunkt offene Standards fehlen, "komme ich mit anderen Programmen nicht mehr ran". Freie Software speichere dagegen Daten vorzugsweise offen ab, sodass auch konkurrierende Programme darauf zugreifen könnten. Dies sollte letztlich jeden Bürger interessieren, da es auch um Steuermittel gehe. Gefragt sei eine Strategie, bei der "wir für die Fehler der letzten Jahre eventuell mit etwas Geld bezahlen". Diese Ausgaben würden aber langfristig Administrationsarbeit und Lizenzkosten sparen. Ein Zusammenspiel von vielen Firmen und Komponenten werde künftig die Softwarelandschaft prägen, pflichtete Jähnichen Heinlein bei. Dafür müssen jetzt offene Standards und Schnittstellen geschaffen werden.

Cosse versuchte jenseits des Hinweises auf die Bemühungen um ein weiteres offenes Dokumentenformat am Ball zu bleiben. Microsoft habe bereits Milliarden von Haushalten mit PCs bestückt und auf diesem Weg ebenfalls einen Beitrag zu demokratischen Beteiligungsformen geleistet, meinte der Lobbyist. Der Faktor der Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen greife bei dem Konzern zudem auch, da allein hierzulande 30.000 Partner für die Software der Unterschleißheimer Dienstleistungen und Ergänzungen böten. Dabei würden die Geschäftskollegen bei jedem Euro Umsatz von Microsoft ihrerseits sieben Euro verdienen. Zudem habe Microsoft gemeinsam mit Novell vor einem Jahr eine Brücke hin zu Linux geschlagen. Damit würden die "Mehrwerte beider Seiten im Interesse der Kunden" verbunden. Er müsse zudem dem Eindruck entgegentreten, dass sein Konzern nicht innovativ sei. Man werde auf jeden Fall nicht von Linux getrieben. (Stefan Krempl) / (jk)