Festival Play 13: Staubsaugerspiele und andere Kunstprojekte

Beim Videospielen gleich auch mal die Wohnung saugen oder eine Partie Tischtennis gegen die Space Invaders? In Hamburg zeigten Spiele-Entwickler, wie Kunst und Videospiele zusammenpassen.

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Von
  • Peter Kusenberg

Vom 18. bis 20. September 2013 veranstaltete die Initiative Creative Gaming das Games-Festival Play 13 in Hamburg. Die Veranstalter zeigten ungewöhnliche Spiele und Eingabekonzepte, luden ein zum Mitmachen und zur Teilnahme an Seminaren. Vor allem Lehrer und Schüler tummelten sich auf dem Hamburger Gänsemarkt und den umliegenden Vierteln, um Spiele als kreative und didaktisch gehaltvolle Kulturträger vorzustellen.

In einem alten Backsteingebäude im Gängeviertel konnten Schüler, Lehrer und andere interessierte Besucher kostenlos und unverbindlich diverse Independent-Spiele ausprobieren. Die Spiele stammten überwiegend von Studenten deutscher Hochschulen, die verschiedene Aspekte der Games-Entwicklung im Rahmen von Studien-Projekten untersuchten.

Die Studentin Anna Wonner lässt mit Hilfe einer Rückprojektion digitale Blumen sprießen. Die digitalen Blumentöpfe sind Teil ihres Projektes im Studienfach Mediales Design an der Hochschule Pforzheim.

(Bild: Peter Kusenberg)

Die Studentin Anna Wonner von der Hochschule Pforzheim hatte eine Holzwand mit Fenstern und Blumentöpfen aufgestellt. Mit einer Gießkanne goss sie die Töpfe, woraufhin digitale Blumen auf der Projektionsfläche des Fensters sprossen. Actionreicher war das Spiel Heartattack, wo bis zu vier Spieler mittels Gamepad jeweils ein Herz durch eine hindernisreiche Spielwelt steuerten, um durch Herzschläge die Herzen der Mitspieler in Stachelfallen zu schubsen. Im PC-Spiel Tale of Scales wird der Spieler in den Körper eines kleinen Kindes versetzt, das daheim sitzt und Objekte verschiebt. Der Clou besteht darin, dass die Objekte unabhängig von ihrer tatsächlichen Größe in die Hand des Kindes passen, das so den Mond zwischen seine Finger klemmen und an die Wand heften kann. Ebenfalls Phantasie-anregend wirkt Thirty Flights of Loving, einer interaktiven Liebesgeschichte mit kleinen Rätseln und bizarren, kastenköpfigen Figuren. Die anwesenden Schüler bemühten sich eifrig darum, die Funktionsweise des Spiels zu ergründen und die Aufgaben zu lösen.

Unkonventionelle Eingabemethoden erproben Designer Johannes Hoffmann und Programmierer Sebastian Plesch von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Die beiden studieren internationale Medien-Informatik und entwickelten mit einigen Kommilitonen das 3D-Spiel IceClimber, dessen Einsatz vor allem die Tauglichkeit von besonderen Eingabegeräten erforschen soll. So mussten die Spieler die Oculus-Rift-Brille aufsetzen und die Bewegungen eines Eis-Kletterers im Spiel mittels Razer-Hydra-Eingabegeräten steuern. „Mit der Kinect-Technik und Nintendos Balance Board haben wir ebenfalls experimentiert, sagte Johannes Hoffmann, „doch dann haben wir uns für Oculus Rift entschieden. Allerdings ist die Brille gewöhnungsbedürftig, und die Auflösung ist teilweise enttäuschend.“ Der 13-jährige Achtklässler Alex Farwer freute sich, erstmals die Oculus Rift auszuprobieren: „Wir sind von der Schule aus hierher gefahren, doch jetzt bleibe ich auf eigene Faust hier, um alle Spiele auszuprobieren, die sind schon sehr interessant.“

Während die Oculus-Rift-Brille verheißt, zumindest visuell in den spielerischen Raum eindringen zu können, benötigt man für Gaudy Woods gute Beinarbeit. Das Spiel ist ein Spaziergang durch einen farbenprächtigen Wald, den man mittels einfacher stereoskopischer 3D-Brille wahrnimmt. Allerdings steht der Spieler dabei auf einer Rolle aus Autoreifen, die an einem beweglichen Gestänge montiert ist. Mittels Neigung des Körpers sowie Vor- und Rückwärtsschritten bewegt man die Spielfigur in Gestalt einer Tonne durch den Zauberwald. Schweißtreibend ist auch Pong Invaders Reality, wo der Spieler mit einem Tischtennisschläger Ping-Pong-Bälle gegen einen Bildschirm schlägt, auf dem riesige Aliens in Form der Space Invaders erscheinen. Eine Playstation-Eye-Kamera nimmt die Ping-Pong-Treffer auf und leitet sie an den angeschlossenen MacMini weiter, auf dem das Spiel berechnet wird.

Der Computer für Dusteroids Reality ist in einen Reinigungswagen integriert. Der Spieler steuert das Staubsauger-Games-Gefährt des Künstlers Tobias Othmar Hermann nach links, rechts, vorne und hinten, um die richtigen Farbfelder im Musikspiel Simon Says zu aktivieren. Das wirkt umständlich und regt an zur Reflexion über das Verhältnis von Spiel und Spieler.

Unterhaltsamer waren die beiden Spiele, die in Containern auf dem Gänsemarkt präsentiert wurden. Im ersten, Wooorrk! genannt, baut der Spieler einen Turm, wenn er im richtigen Moment laut schreit oder auf andere Weise Lärm macht. Im gleichfalls für vier Spieler optimierten B.U.T.T.O.N. ist jedem Spieler ein Knopf auf einer Tastatur zugeordnet, den er drücken muss, sobald er alle lustigen Bildschirmanweisungen ausgeführt hat. Ähnlich wie in den WarioWare-Spielen geht es darum, möglichst schnell herauszufinden, was man tun muss. So lautet die Anweisung, alle Spieler mögen sieben Schritte zurück gehen und dann schnell ihre jeweilige Taste genau sechs Mal drücken. Vor den Containern konnten Passanten wiederum an Streetgames teilnehmen, bei denen es darum ging, in die Rolle von Spielfiguren zu schlüpfen und bestimmte Posen einzunehmen.

Play 13 (6 Bilder)

In Pong Invaders Reality erledigt der Spieler Aliens mit Tischtennisbällen, eine Playstation-Eye-Kamera, ein MacMini und ein Holztisch sind die Ingredienzien. (Bild: Peter Kusenberg)

Das Festival gastiert bereits zum dritten Mal in Hamburg, nachdem es in den vergangen Jahren meist in Potsdam stattgefunden hatte. „In Potsdam gab es eine Standortförderung, doch das Thema konnte dort in Schulen und Unternehmen keine Wurzeln schlagen“, sagte die Festival-Koordinatorin Kathrin Joswig gegenüber heise.de. Joswig arbeitet als Medienpädagogin in Hamburg und bemüht sich darum, Spiele als Bildungsmedien in den Schulen publik zu machen, wobei sie sich vor allem um die Medien-Schulung von Lehrern kümmert. „Medienmachen bildet, das kann man hier auf dem Festival gut sehen“, sagte Joswig. „Die Jugendlichen erkennen, dass man Spiele auch anders nutzen kann als für die reine Unterhaltung. Und die Lehrer erkennen, wie viel didaktisches Potenzial in Games steckt.“

Im unweit gelegenen Gebäude des Free-to-Play-Spiele-Anbieters Bigpoint fanden weitere Kurse statt, etwa Minecraft-Seminare, bei denen die Teilnehmer gemeinsam eine Stadt erstellten. Im Emporio konnten sich interessierte Nachwuchs-Programmierer die Besonderheiten der Entwicklungsumgebung Unity erläuterten lassen. Dozent Christoph Graf vom SAE Institute Hamburg zeigte, wie man eine 3D-Figur in einem Level bewegt und mittels einfacher Skripte den Eingabe-Befehlen bestimmte Animationen zuordnet. Die überwiegend jugendlichen Teilnehmer waren interessiert und stellten Detailfragen, etwa wie man die „Knubbelding“ genannte Spielfigur eine Treppe hinauf hüpfen lassen kann, ohne den Bewegungsfluss zu unterbrechen.

Im Metropolis-Kino am Gänsemarkt wurden Machinimas gezeigt, die populäre Spielewelten aus Die Sims 3, Slenderman und Elder Scrolls: Skyrim nutzen, um in diesem Rahmen filmische Dramen zu inszenieren. Ein reichhaltiges Abendprogramm mit Partys, Poetry-Slams und einem Lookalike-Wettbewerb rundete das Festival ab.

Koordinatorin Kathrin Joswig ist zuversichtlich, dass es im nächsten Jahr eine Neuauflage des Games-Festivals in Hamburg geben wird. „Die Resonanz hier ist großartig, lokale Unternehmen wie Daedalic und Bigpoint, aber auch branchenfremde Firmen unterstützen uns und bringen alle Games-Interessierten zusammen.“ (hag)