ISO lehnt Einsprüche gegen OOXML-Normierung ab

In den technischen Aufsichtsratsgremien der Internationalen Organisation für Normung und der Internationalen elektrotechnischen Kommission fanden sich nicht die erforderlichen Mehrheiten für die Annahme der Beschwerden aus vier Ländern.

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Die vier Einsprüche gegen das umstrittene Verfahren zur Normierung von Office Open XML (OOXML) werden bei der Internationalen Organisation für Normung (ISO) und der Internationalen elektrotechnischen Kommission (IEC) nicht weiterbehandelt. In den zuständigen technischen Aufsichtsgremien, dem Technical Management Board (TMB) der ISO und dem Standardization Management Board (SMB) der IEC, fanden die Eingaben aus Brasilien, Indien, Südafrika und Venezuela nicht die erforderlichen Zweidrittelmehrheiten. Die mit der Nummer DIS 29500 angenommene Spezifikation soll daher in den kommenden Wochen als internationaler ISO/IEC-Standard veröffentlicht werden, verkünden die beiden Genfer Normierungsinstitutionen.

Im Juli hatten bereits die Generalsekretäre der ISO und der IEC die Empfehlung ausgegeben, die Einsprüche gegen das Dokumentenformat Microsofts abzulehnen. Bei der Prüfung des Zertifizierungsprozesses seien keine Regelverstöße ausgemacht worden. Zuvor hatte es viele Berichte über Unregelmäßigkeiten bei dem Normierungsverfahren gegeben. Die Genfer Organisationen legten die Spezifikation daher vorübergehend auf Eis. Der Prozess der Annahme von OOXML als ISO-Norm habe eine "umfangreiche Debatte" sowohl über die technischen und die verfahrensbezogenen Prozesse ausgelöst, räumen die beiden Normierungsinstanzen nun nur kurz ein. Die aufgeworfenen Fragen seien regelgerecht angegangen worden. Die gemachten Erfahrungen würden aber als wichtige Bereicherung der Richtlinien und Verfahren zur internationalen Normierung und zur Arbeit der nationalen Komitees gesehen.

Die vier Schwellenländer hatten Ende Mai offiziell dem Normierungsverfahren widersprochen. Sie monierten etwa, dass vor der ersten Abstimmungsrunde im Herbst 2007 kein Ergebnistreffen anberaumt worden sei. Zudem sei bei der Einspruchberatung Ende Februar nach dem vorläufigen Scheitern der OOXML-Normierung in der ersten Runde im September 2007 kein Konsens über nötige Änderungen an der Spezifikation erzielt worden. Vielmehr sei pauschal über viele nicht besprochene Korrekturvorschläge abgestimmt worden. Auch habe die ISO bis heute keine endgültige Version der in zweiter Runde dann angenommenen Spezifikation publiziert. Microsoft kündigte unterdessen für 2009 zunächst die Unterstützung der konkurrierenden offenen ISO-Dokumentennorm Open Document Format (ODF) an.

Jomar Silva, ein Vertreter des Brasilianischen Normierungsgremiums, zeigte sich in einer ersten Reaktion enttäuscht über die Ansage aus Genf. Er wirft der ISO und der IEC vor, für die Informationsgesellschaft keine adäquaten Voraussetzungen mitzubringen. Es sei allen Beteiligten an dem Normierungsprozess klar, dass das Verfahren durch kommerzielle und wirtschaftliche Interessen verzerrt worden und daher nicht legitim gewesen sei. Silva sieht es daher an der Zeit, dass sich Entwicklungsländer zusammenschließen und eine eigene, besser an die Realitäten angepasste internationale Normierungsorganisation gründen. (Stefan Krempl / (akr)