Die hohe Ökostrom-Umlage und die Frage des Nutzens

Jedes Jahr im Oktober wird die von allen Bürgern über den Strompreis zu zahlende Ökostrom-Umlage für das nächste Jahr errechnet. 2014 steigt sie auf einen neuen Rekordwert.

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Von
  • Georg Ismar
  • dpa

Der Strom wird immer billiger. Zumindest im Einkauf. In diesen Tagen kostet die Kilowattstunde an der Börse EPEXSpot teilweise nur noch 3,8 Cent für den deutschen Markt. Solar- und Windenergie sowie weiterhin viel Kohlekraft drücken die Preise. Gerade die besonders energieintensive Industrie profitiert von diesen Segnungen, sie ist von den Energiewendeabgaben weitgehend befreit. Der Normalverbraucher aber hat nichts davon. Er hat nun schwarz auf weiß, dass er 2014 noch einmal mehr für seinen Strom berappen muss.

Für ihn nähert sich der Endkundenpreis der magischen Grenze von 30 Cent pro Kilowattstunde – ein Grund ist die von 5,277 Cent auf rund 6,3 Cent steigende, im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegte Umlage, mit der Windparks, Solar- und Biogasanlagen auf 20 Jahre garantiert feste Vergütungen bekommen, die teilweise deutlich über den dafür an der Strombörse erlösten Preisen liegen. Seit dem Jahr 2000 gibt es das EEG, inzwischen gibt es rund 4000 Förderkategorien.

Immer am 15. Oktober wird die EEG-Umlage für das nächste Jahr von den Übertragungsnetzbetreibern Tennet, Amprion, TransnetBW und 50Hertz veröffentlicht – sie verwalten das Umlagekonto. Aber die Zahl ist schon durchgesickert – minimale Abweichungen sind noch möglich. Pro Jahr zahlt ein Durchschnittshaushalt derzeit knapp 1000 Euro für Strom, 2014 könnten es rund 1030 Euro werden. Die Ökoenergieförderung macht daran bisher 185 Euro aus, 2014 werden es 220 Euro. Der Staat verdient daran sogar, denn die Mehrwertsteuer steigt automatisch mit.

Doch noch immer sind viele Deutsche Wechsel- und Vergleichsmuffel. Durch einen Anbieterwechsel lässt sich der Umlageanstieg oft locker auffangen. Was sich jetzt wieder für Attacken gegen den Ausbau erneuerbarer Energien instrumentalisieren lässt, bedarf aber einer differenzierten Betrachtung: Nach Berechnungen des Branchendienstes Energy Brainpool entfällt die Hälfte des Umlageanstiegs 2014 auf den eingangs beschriebenen Preisverfall an der Strombörse. Denn gibt es immer weniger Geld für den Ökostrom, wächst die Differenz zu den festen Vergütungssätzen: Die Differenz muss der Verbraucher bezahlen.

Die Versorger stehen im Verdacht, die gesunkenen Einkaufspreise nur unzureichend an die Bürger weiterzureichen. Rund 25 Prozent des Anstiegs entfallen zudem auf die umfassenden Industrierabatte, so Energy Brainpool. Nach Berechnung des Bundesverbands erneuerbare Energien machen nur 0,15 Cent des jetzigen Anstiegs um rund einen Cent neue Anlagen aus – der Solarausbau hat sich nach Förderkürzungen deutlich verlangsamt.

Laut Umfragen begrüßen trotz der Kosten weiterhin über 90 Prozent der Bürger den Ausbau von Solar- und Windenergie. Es wird aber eine fairere Lastenverteilung gefordert. Stichwort Industrierabatte, die die EEG-Umlage aufblähen und die auch die EU-Kommission ins Visier genommen hat. Ohne die Rabatte drohen wegen des globalen Wettbewerbs etwa bei Aluhütten, Zement- und Stahlwerken Jobverluste. Die Frage ist aber, wie groß müssen sie sein? Denn der Strompreisindex des Verbands der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft lag zuletzt mit 134,10 Punkten so niedrig wie seit März 2005 nicht mehr.

Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre künftige Koalition besteht hier massiver Reformdruck – aber wegen der 20-Jahre-Garantie ist der bisher angefallene Förderbatzen ohnehin noch lange vor sich herzuschieben. Während mit der SPD wohl eine große EEG-Reform mit einer Abkehr von den auf 20 Jahre garantierten Vergütungen bei Neuanlagen leichter durchzusetzen wäre, wollen die Grünen vor allem die Industrierabatte um vier Milliarden Euro pro Jahr zurückfahren.

Die Ökoenergie-Branche klagt über eine kurzsichtige, einseitige Betrachtung nur der Ökostrom-Umlage. Hat nicht gerade der fünfte Weltklimabericht gezeigt, dass die Erderwärmung von 1880 bis 2012 bereits um 0,85 Grad Celsius zugelegt hat? Meeresspiegel steigen schneller als erwartet, es drohen mehr Extremwetterereignisse.

Der frühere Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der in der Union einer der entschiedensten Verfechter der grünen Energiezukunft war, hat als Richtschnur seines Handelns mal ausgegeben: "Politik aus den Augen unserer Kinder machen." Er wollte eine deutsche Vorreiterrolle bei einer Trendwende hin zu weniger CO2. Sein Nachfolger Peter Altmaier (CDU) will das auch, er hat zugleich damit zu kämpfen, dass alle die Kosten unterschätzt haben – und Anlagenbesitzer über viele Jahre todsichere Renditen einfahren konnten.

Deutschland will seine Emissionen bis 2050 um 80 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Doch dafür müssen in den nächsten Jahren wohl Strompreise auf hohem Niveau in Kauf genommen werden, bevor nach und nach die Vergütungen nach der 20-Jahres-Förderfrist entfallen und die Umlage sinkt. Die Alternative wäre: Auf mehr Kohlestrom und mehr CO2-Emissionen zu setzen, um den Atomausstieg bis 2022 abzufedern. Doch wäre diese Rechnung für künftige Generationen günstiger? (anw)