Grüne gehen gegen "Schnüffelstaat" in die Offensive

Vertreter aus Wirtschaft und Politik zogen auf einer Veranstaltung der Grünen in Berlin eine erste Bilanz nach 100 Tagen Vorratsdatenspeicherung. Die Oppositionspartei kündigte eine Bürgerrechtsoffensive gegen die zunehmenden Überwachungsaktivitäten an.

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Die Grünen haben ihre Forderung nach einem Stopp der zum 1. Januar in Kraft getretenen Vorratsdatenspeicherung bekräftigt. Mit einer Bürgerrechtsoffensive wollen die Grünen den "Schnüffelstaat" verhindern. "Die Vorratsdatenspeicherung bedroht die für einen Rechtsstaat unverzichtbaren privaten Räume", erklärte die Parteivorsitzende Claudia Roth auf einer Veranstaltung der Partei am gestrigen Mittwoch in Berlin. Experten und Vertreter betroffener Unternehmen und Berufsgruppen zogen eine Zwischenbilanz der ersten "100 Tage Vorratsdatenspeicherung" und ihrer "Auswirkungen auf die bürgerlichen Grundrechte".

Die Vorratsdatenspeicherung gehe zu Lasten kleiner Unternehmen, sagte Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein, "denn es werden auch von kleinen Unternehmen zur Vorratsdatenspeicherung Umsetzungsmaßnahmen gefordert, die diese an den Rand der wirtschaftlichen Existenz bringen." Die betroffenen Unternehmen fordern seit Langem eine Entschädigung für die Kosten, die durch die Bevorratung und Verarbeitung der Daten entstehen. Die Branche spricht von "astronomischen" Summen und beziffert die Kosten auf über 300 Millionen Euro, von denen rund 80 Prozent kleine un mittlere Unternehmen zu tragen hätten. Weichert hatte gefordert, den Vollzug des Gesetzes auszusetzen.

Malte Spitz vom Bundesvorstand der Grünen kritisierte, dass die zunehmende Überwachung sowohl von staatlicher als auch von wirtschaftlicher Seite vorangetrieben werde. Fortschritte der technischen Entwicklung und dadurch anfallende Daten wecken Begehrlichkeiten und schaffen neue Überwachungsmöglichkeiten. "Durch immer größere Datenberge steigt das Missbrauchspotenzial enorm", warnte Spitz. Roth kündigte dazu eine umfassende Bürgerrechtsoffensive von Bündnis 90/Die Grünen an. Unter dem Motto "Keine Macht dem Schnüffelstaat" sollten Bürger über die Überwachungsaktivitäten der Regierung informiert werden.

Ungeachtet der massiven Proteste hatte der Bundestag im November die massenhafte Speicherung von Telefon- und Internet-Daten und eine neugefasste Telefonüberwachung beschlossen, die nun seit dem 1. Januar gilt. Die Verbindungsdaten müssen ein halbes Jahr lang gespeichert werden. Die Auswertung ist auf die Ermittlung schwerer Straftaten beschränkt. Geheimnisträger wie Anwälte, Ärzte und Journalisten dürfen aber abgehört werden. Das Bundesverfassungsgericht billigte in einer ersten Entscheidung die Speicherung, schränkte aber deren Nutzung auf die Verfolgung besonders schwerer Straftaten ein.

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(vbr)