Open Source trifft die Industrie

Die vergangenen Jahre haben dem Maschinenbau ein überdurchschnittliches Wachstum gebracht. Open Source made in Germany habe die Chance, das Wachstum zu verbessern, hieß es im Vorfeld des Kongresses Open Source meets Industry auf der Hannover Messe.

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Von
  • Detlef Borchers

Heute beginnt auf der Hannover Messe der von der schwäbischen Genossenschaft OSADL organisierte Kongress Open Source meets Industry. Im Vorfeld der Tagung lud die Messe AG zu einer Pressekonferenz, auf der die Protagonisten der OSADL mit Hans Beckhoff in Szene gesetzt wurden: Seine Firma Beckhoff Automation setzt auf Microsoft-Technologie und auf Intel-Power, um Steuerungs- wie Antriebstechnik als Kapital des deutschen Mittelstandes zu retten.

Auf der Pressekonferenz betonte Sepp Heckmann von der deutschen Messe AG, dass die vergangenen Jahre der Maschinenbau-Branche ein überdurchschnittliches Wachstum gebracht hätten. Von diesem Wachstum profitiere vor allem der deutsche Mittelstand. Hannes Hesse vom Verband der Maschinen- und Anlagenbauer wies darauf hin, dass die Stärke des deutschen Anlagenbaus in der Vernetzung vieler Firmen wie etwa Maschinenbauer, Automationsanbieter und Softwareentwickler liege: "Wir glauben, dass Open Source 'made in Germany' eine Chance hat, das Wachstum zu verbessern." Für 2008 rechne sein Verband mit einem Produktionsvolumen von 193 Milliarden Euro. 2007 seien es 180 Milliarden gewesen, was einer Auftragssteigerung von 16 Prozent entspricht. Mit 950.000 Mitarbeitern und 50.000 Leiharbeitern sei der Maschinen- und Anlagenbau der größte Industriearbeitgeber, der 2008 die Zahl der Beschäftigten um 30.000 erhöhen wolle. Entscheidend sei dabei der Erfindungsgeist der Branche, neue, energieeffiziente Produktionsanlagen oder Kraftwerke bauen zu können.

Wie Erfindungsgeist aussehen kann, referierte Hans Beckhoff, der mit "PC-Control" und XFC (eXtreme Fast Control) aus seinem Haus ein neues Zeitalter kommen sieht, in dem die Automatisierungswelt Schaltzyklen unterhalb einer Millisekunde erreichen wird. Dabei sei es entscheidend, dass Standardkomponenten zum Einsatz kommen. Zu diesen zählte Beckhoff Industrie-PC mit Intel-Prozessoren, die I/O-Kommunikation mit Feldbus und EtherCAT, Windows-Betriebssysteme von Microsoft (von Vista bis CE und Embedded Windows) sowie die hauseigene Automatisierungssoftware TwinCAT.

Für die OSADL entwarf Carsten Emde das Gegenmodell. Er betonte, dass die Source-Code-Problematik mit der Offenlegung der Quellen für viele Maschinenbaufirmen gar nicht relevant sei, dass es vielmehr Vorteile habe, wenn der Mitbewerber im Boot sei und man gemeinsam Treiber und Schnittstellen für bestimmte Maschinen entwickelte. Emde beschrieb den Einsatz von Open Source in der Industrie unter Verweis auf das Genossenschaftsmodell. Man agiere wie eine Einkaufsgenossenschaft rund um das Betriebssystem Linux, wo alle notwendigen Komponenten von den Genossenschaftlern gemeinsam besorgt oder entwickelt werden. "Linux wirkt im Geheimen, weil wenig bekannt ist, wie hoch der Anteil von Linux ist." Mit diesen Worten präsentierte Emde der Presse den Kernel-Maintainer Andrew Morton, einen "echten Linux-Entwickler", der zusammen mit Alan Cox und Bruce Perens zur Konferenz gekommen war. Morton lobte anschließend die Fortschritte bei der Entwicklung von Echtzeit-Linux-Anwendungen.

Eine richtige Debatte zwischen den Lagern kam erst in Gang, als Hans Beckhoff das Genossenschafts- und Open-Source-Modell als "nicht haltbar" klassifizierte. "Mit diesem Modell geht bei Betriebssystemen das Wissen nach China, und der deutsche Maschinenbau geht kaputt." Außerdem gebe es hohe Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Maschinensteuerungen, in denen mehr als nur das geistige Kapital des deutschen Maschinenbaus stecke. Gegen Beckhoff argumentierte Emde mit dem Hinweis, dass eine chinesische Universität Mitglied bei der OSADL ist und dennoch keine Ängste existierten, dass das Wissen abwandere. "Open Source ist eine Dienstleistung für alle Mitglieder der OSADL. Die aufwendige Parallelentwicklung von Treibern für eigene Entwicklungen frisst Geld und Ressourcen." Andrew Morton wies darauf hin, dass im Zweifel die Sicherheit von Steuerungen von der Systemsicherheit und damit von Herstellern wie Microsoft abhängen würde. Am Ende wurde die Debatte aus Zeitgründen abgebrochen. Für die OSADL erklärte Emde den Industriekongress vorab zu einem Erfolg: "Hier ist eine Bewegung im Gange, von der wir sagen können, wie sind dabei gewesen." (Detlef Borchers) / (jk)