Bundesverfassungsgericht verlängert Schranken bei Vorratsdatenspeicherung

Karlsruhe hat die Auflagen zum eingeschränkten Zugriff auf verdachtsunabhängig vorgehaltene Verbindungs- und Standortdaten um sechs Monate verlängert. Ermittler erhalten demnach nur bei schweren Straftaten Zugang.

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Das Bundesverfassungsgericht hat seine Auflagen vom März zum eingeschränkten Zugriff auf verdachtsunabhängig vorgehaltene Verbindungs- und Standortdaten um sechs Monate verlängert. Dies geht aus einem entsprechenden Beschluss (PDF-Datei) hervor, den der Bevollmächtigte der "Massenklage" von über 34.000 Bürgern gegen die Vorratsdatenspeicherung, Meinhard Starostik, am heutigen Donnerstag veröffentlicht hat. Telekommunikationsanbieter müssen demnach weiterhin gemäß der Novelle der Regeln zur Telekommunikationsüberwachung die elektronischen Nutzerspuren protokollieren. Fahnder erhalten aber nur bei der Verfolgung schwerer Straftaten Zugang zu den Datenbergen.

Die zeitliche Ausdehnung der einstweiligen Anordnung beruht auf denselben Gründen wie der vorausgegangene Bescheid. Nicht die Datenarchivierung, sondern erst die Vorgabe zum Abruf und zur Verwendung der Informationen gilt den Verfassungsrichtern demnach als der besonders gefährliche Eingriff in die Freiheit der Bürger. Starostik hatte zuvor die komplette Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung gefordert. Er verwies dabei unter anderem auf eine Forsa-Umfrage, laut der "die Vorratsdatenspeicherung jeden zweiten Bürger davon abhalte, in sensiblen Angelegenheiten telefonische Beratung in Anspruch zu nehmen". Die Maßnahme ziehe somit bereits jetzt irreparable Beeinträchtigungen nach sich.

Dieser Ansicht wollten sich die Richter in Karlsruhe vorerst nicht anschließen. Sie behielten sich aber neben der weiteren Prüfung des Anliegens der Bürgerrechtler ausdrücklich vor, den Beschluss im Hinblick auf die in Bayern neuen Möglichkeiten abzuändern, gemäß denen Polizei und Staatschützer im Freistaat auch zur Gefahrenabwehr und zu Aufgaben des Verfassungsschutzes auf die TK-Vorratsdaten zugreifen dürfen.

Das Gericht fordert die Bundesregierung auf, bis zum 1. März 2009 erneut über die praktischen Auswirkungen der Vorratsdatenspeicherung und der einstweiligen Anordnung für den Zeitraum August bis Januar zu berichten. Das federführende Bundesjustizministerium hatte zuvor entsprechend einer früheren Auflage aus Karlsruhe mitgeteilt, dass Ermittler allein zwischen Mai und Juli in 934 Strafverfahren auf verdachtsunabhängig gespeicherte "Verkehrsdaten" zurückgegriffen haben. Laut Bürgerrechtlern lässt sich aus den Zahlen aber nicht auf einen tatsächlichen Bedarf nach den auf Vorrat zu speichernden Telekommunikationsdaten schließen.

Starostik weist angesichts des neuen Beschlusses darauf hin, dass von 1. Januar 2009 an dann auch Internetprovider die Verbindungs- und Nutzerdaten über den Zugang zum Netz und den Abruf von E-Mails vorhalten müssen. Vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, einem Zusammenschluss von Bürgerrechtlern und Datenschützern, erklärte padeluun gegenüber heise online, dass die Politik noch ein halbes Jahr Bewährungsfrist erhalten habe: "Bundesregierung und Parlament sollten jetzt möglichst rasch aus Erkenntnisgründen die Vorratsdatenspeicherung selbst zurücknehmen." Zugleich bedauerte der Aktivist, "dass die kräftezehrende Zitterpartie für die Bevölkerung weiter geht". Er zeigte sich aber optimistisch, dass die Bestimmungen zur Protokollierung der Nutzerspuren zugunsten einer anlassbezogenen Datenspeicherung gemäß dem "Quick Freeze"-Verfahren gekippt würden. Ähnlich äußerte sich Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (CCC): "Wenn die Richter die Zeit nutzen wollen, um ein bürgerfreundliches, ausgewogenes Urteil zu fällen, können wir uns mit der Frist abfinden."

Siehe dazu auch:

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (pmz)