Urheberrechtsexperte ärgert sich über "Frechheiten der Musikindustrie"

Der Münsteraner Rechtsprofessor Thomas Hoeren meint, die Musikdindustrie habe in dem jüngst veröffentlichten offenen Brief an die Bundeskanzlerin ihre "Haussklaven vorgeschickt".

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Der Münsteraner Rechtsprofessor und Urheberrechtsexperte Thomas Hoeren ärgert sich über den offenen Brief der Musikindustrie an Bundeskanzlerin Angela Merkel. In einem Eintrag im Experten-Blog des Beck-Verlags schreibt Hoeren: "Ich habe langsam die Nase von den Frechheiten der Musikindustrie voll." Er meint, in dem Brief werde undifferenziert auf Nutzer und TK-Industrie eingeschlagen, falsche Zahlen würden kombiniert mit schrägen Vergleichen mit dem "Zensurland China" und "dubiosen Zitaten" von Mark Getty. Hoeren ist Leiter des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) an der Uni Münster und bietet seit fünf Jahren ein umfangreiches Kompendium zum Internetrecht zum Download an.

In dem offenen Brief, der unterzeichnet wurde von Musikern sowie von Protagonisten aus Film und Fernsehen wie Yvonne Catterfeld, Amelie Fried, Heinrich Breloer, Till Brönner, Helmut Dietl und Ralph Siegel, heißt es, 70 Prozent des Internetverkehrs in Deutschland entfielen auf die Tauschbörsennutzung. Merkel setze sich in China "vorbildlich für die Interessen der deutschen Industrie" ein, das solle sie auch in Deutschland tun. Weiter wird in dem Brief auf das Zitat des Chefs des Bilderdienstes Getty verwiesen, laut dem "Geistiges Eigentum" das "Öl des 21. Jahrhunderts" sei. Am Samstag antwortete Merkel in einer Videobotschaft unter anderem mit dem Versprechen, sich auch auf internationaler Ebene für mehr Schutz des geistigen Eigentums stark zu machen.

Hoeren greift die in dem Brief aufgeführten Argumente scharf an und schreibt weiter, die Musikindustrie schicke die "eigenen Haussklaven" als Unterzeichner vor und instrumentalisiere sie, anstatt sich zu fragen, ob sie die Kreativen angemessen bezahlt. Sehr kritisch sieht der Professor auch, dass die Musikindustrie in Deutschland Internetprovider zur Verantwortung ziehen will und dabei auf Frankreich und Großbritannien verweist. Dabei sei fraglich, ob die TK-Industrie überhaupt effektiv den Zugang zu Websites sperren könne. Hoeren stellt zur Diskussion, ob das Urheberrecht durch eine komplexe Suche nach einem Gleichgewicht zwischen schützenswerten Urheber-, Verwerter- und Nutzerinteressen geprägt sei. Im nächsten Atemzug zeigt sich Hoeren sogleich skeptisch über die Diskussionsbereitschaft der Musikindustrie über die Ursachen ihres Gewinneinbruchs jenseits von Filesharing: "Man will schlagen, hauen, klotzen. Dualismus ist eben besser verkäuflich als differenzierte Prüfung und Gespräche." (anw)