EU-Parlament will neuen Straftatbestand zum Schutz von Kindern im Netz

Die Kontaktaufnahme zu Minderjährigen im Netz mit dem Ziel, sie zu missbrauchen, soll in allen Mitgliedsstaaten strafbar sein. Auch die Betreiber von Pädophilen-Chatrooms sollen künftig belangt werden können.

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Von
  • Monika Ermert

Die Kontaktaufnahme zu Minderjährigen im Internet zum Zwecke des sexuellen Missbrauchs soll nach Vorstellung des EU-Parlaments in den Gesetzen aller Mitgliedsländern als neuer Straftatbestand verankert werden. Die psychologische Manipulation von Kindern und Jugendlichen in Chaträumen oder Social Networks, die darauf abzielt, die Minderjährigen anschließend sexuell zu missbrauchen, wird als "Grooming" bezeichnet.

Das Grooming-Verbot soll laut einer am heutigen Dienstag in Straßburg verabschiedeten Empfehlung des Parlaments Eingang finden in den Rahmenbeschlusses Nr. 2004/68/JI (Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie). Strafbar sollen sich dann auch Betreiber von Chatrooms machen, in denen "pädophile Aktivitäten" stattfinden. Der Vizepräsident der Kommission, Jacques Barrot, kündigte in der Debatte an, dass die Kommission im März einen neuen Vorschlag für den bereits angegrauten Rahmenbeschluss vorlegen werde.

Die Novelle steht eigentlich schon seit nahezu zwei Jahren auf dem Programm. Nach Ansicht von Berichterstatterin Roberta Angelilli und Barrot mache auch der durch sinkende Reisekosten wachsende Sextourismus eine Anpassung nötig. Wenn EU-Bürger Kinder in ärmeren Ländern missbrauchen, sollen sie künftig grundsätzlich auch in allen EU-Mitgliedsländern strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.

Im Einzelnen befürwortete Angelillis Bericht zunächst auch die viel diskutierten Sperren von kinderpornographischen Webseiten durch Internet-Anbieter. Diese Forderung wurde aber durch einen gemeinsamen Änderungsantrag aller großen Fraktionen vom Tisch gewischt. Ebenfalls herausgenommen wurde eine Aufhebung der beruflichen Schweigepflicht für Anwälte, Ärzte oder Priester in Fällen von Kindesmissbrauch.

Die Rolle der Providern im Kampf gegen Kinderpornographie sei nach wie vor ein umstrittenes Thema, sagte ein Sprecher des Parlaments. Die Streichung des Paragraphen sei von den Grünen, den Liberalen und der konservativen EVP unterstützt worden. Stark gemacht für freiwillige Vereinbarungen zwischen Strafverfolgern und Providern hatte sich der liberale Abgeordnete Alexander Alvaro. Er halte nichts davon, "ISP zum verlängerten Arm der Strafverfolger zu machen", sagte Alvaro.

Auf Freiwilligkeit will das Parlament auch bei der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft insgesamt setzen. Gemeinsam mit Kreditkartenunternehmen soll so diskutiert werden, "ob es technisch möglich ist, Webseiten auf denen kinderpornographisches Material verkauft wird, für den Online-Zahlungsverkehr zu sperren oder anderweitig auszuschließen". Ausdrücklich unterstützt der Angelilli-Bericht Bemühungen der Kommission, mit Banken, Wechselstuben, Internetanbietern und Suchmaschinenbetreibern über deren aktive Beteiligung am Kampf gegen Kinderpornographie zu sprechen.

Kritische Töne kamen im Parlament noch von der irischen Abgeordnete Mairead McGuinness (EVP). Sie gab zu bedenken, dass sexueller Missbrauch von Kindern besonders häufig in der Familie oder dem nahen Umfeld passiere. Das Internet sei letztlich wohl nur ein Spiegel der Gesellschaft. Laut McGuinness kommt es vor allem darauf an, "dass die Mitgliedsstaaten endlich ernst machen" mit einem besseren Schutz. Noch haben erst 20 EU-Mitgliedsstaaten die Europaratskonvention zum "Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch" unterzeichnet.

Am Schutzniveau der Europaratskonvention soll sich nach der Vorstellung von Parlamentariern und Kommission der künftige EU-Rahmenbeschluss orientieren. Als weitere praktische Maßnahmen nannte Barrot, der einen ehrgeizigen Entwurf versprach, die Schaffung einer besonderen Plattform bei Europol, auf der die Fäden im Kampf gegen sexuellen Missbrauch und Kinderpornographie zusammenlaufen sollen. (Monika Ermert) / (vbr)