Öffentliche IT: Trendschau im Meer der Daten

Das Fraunhofer Forschungscluster öffentliche IT hat tausende Aufsätze gewälzt und darin vier Trends für die IT-Zukunft ausgemacht. Die Trendschau ist nun erhältlich.

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Von
  • Detlef Borchers

Der Fraunhofer Forschungscluster Öffentliche IT (ÖFIT) hat in Berlin seine erste Trendschau vorgestellt. Die Wissenschaftler untersuchten mit maschineller Sprachverarbeitung 60799 Aufsätze aus 59 Publikationen und fanden vier Trends, die die IT-Zukunft in den nächsten fünf bis fünfzehn Jahren dominieren sollen: Anything as a Service, Big Data, Smart Grids und Smart Sensors. Das ÖFIT will in Zukunft regelmäßig über künftige Trends berichten, die die IT der Behörden beeinflusst.

Künftige Trends von schlichten Hypes zu unterscheiden, das soll die Trendschau des ÖFIT leisten. Sie wird im Auftrag des Bundesinnenministeriums und des IT-Planungsrates des Bundes durchgeführt. Analysiert wird ein Korpus wissenschaftlicher Publikationen, dazu gibt es eine Expertenbefragung und eine Ideenschau einzelner kleinerer Trends wie etwa dem der "Crowd-Prosumer": Die Produzenten von morgen finanzieren mit Crowd-Funding Projekte oder Produkte wie den Scanadu Scout, die sie später kaufen.

Im Unterschied zu anderen Trendvorhersagen wollen die Forscher des ÖFIT auch die durchaus möglichen negativen Folgen eines Trends berücksichtigen. So habe der Megatrend "Anything as a Service" auch seine Schattenseiten in Form von "Crime as a Service", der über "Dark Clouds" dienstorientierte Kriminalität möglich macht. Big Data führe nicht nur zur Analyse in einem Meer von Daten, sondern könne zum Spiel "Müll rein, Müll raus" verkommen. Zudem berge Big Data die Gefahr, dass der Schutz der Privatsphäre über die Analyse von Metadaten ausgehebelt wird.

In der ÖFIT-Trendschau wird deshalb vor einem "Privacy Divide" gewarnt, einer gesellschaftlichen Spaltung aufgrund der unabsichtlichen und unfreiwilligen Offenlegung von Daten. Einzig beim Smart Grid gibt es in der Trendschau nur positive Aspekte, obwohl andere Analysen auf ein mögliches Desaster hinweisen. Beim wichtigen Trend zu drahtlosen Sensornetzwerken, die von der Stadt der Zukunft bis hin zu körpernahen Anwendungen reichen, sieht man immerhin einen Forschungsbedarf zu der Frage, ob die Erfassung bestimmter Informationen aus Datenschutzgründen reguliert werden muss.

Im nächsten Schritt wollen die ÖFIT-Forscher Szenarien entwickeln, wie die Verwaltung in Bund und Ländern auf die analysierten Trends reagieren müssen. Hier wollen sie interdisziplinär und unvoreingenommen "mit den Augen eines Kindes" an die Sache herangehen. Dass die Zukunftsschau auch ihre Tücken hat, zeige das Buch "Ihr werdet es erleben" (The Year 2000) von Herman Kahn und Anthony Wiener, auf das die ÖFIT-Forscher verweisen. Weder die Laufbänder für Fußgänger noch die künstlichen Monde zur nächtlichen Beleuchtung der Erde seien verwirklicht worden. Von den 100 Trends, die 1967 von Kahn und Wiener postuliert wurden, lag man bei 53 daneben. Allerdings gab es auch 21 Treffer, etwa diese Vorhersage: "1980 werden bereits routinemäßig Hotelzimmer, Collegeschlafräume und Büros durch Abhöranlagen überwacht – manchmal sogar mittels versteckter Fernsehkameras". (anw)