Biosig 2008: Selbstbedienung an der Grenze (Update)

Auf der Biosig 2008 tauschten sich Experten über Ausweiswesen und Identitätsabgleich aus. Noch steht der praktische Einsatz elektronischer Pässe ganz am Anfang, die meisten Ausweiskontrollen nehmen immer noch Grenzer vor.

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Von
  • Detlef Borchers

Auf der Biosig 2008 in Darmstadt, einer gemeinsamen Veranstaltung des CAST-Forums und der Fachgruppe BioSIG der Gesellschaft für Informatik, stand das Ausweiswesen und der Identitätsabgleich erneut im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Debatte. Während sich der erste Tag mit der biometrischen Grenzkontrolle von eReisepässen und eVisa beschäftigte, stand der zweite Tag ganz im Zeichen des Identitätsmanagements und des elektronischen Personalausweises.

Seit 2006 gibt es elektronische Reisepässe in Europa, die ein digitalisiertes Gesichtsbild enthalten. 2009 werden erste Pässe mit gespeicherten Fingerabdrücken ausgegeben, außerdem werden im gesamten Schengen-Raum biometrische Visa eingeführt. Dennoch ist die neue Technik an der Grenze kaum gefragt. Als einziges Land setzt derzeit Portugal RAPID ein, ein automatisches Grenzkontrollsystem, das mit den ePass-Daten arbeitet. Andere Systeme wie Privium im niederländischen Schiphol (derzeit 36.000 Teilnehmer) oder die Automatisierte biometriegestützte Grenzkontrolle in Frankfurt (20.900 Teilnehmer) setzen eine Registrierung voraus, bei der die Iris-Daten auf einer Smartcard (Schiphol) oder in einer Datenbank (Frankfurt) gespeichert werden. Für 500 Millionen Europäer ist das nicht praktikabel, hier sollen automatische "Selbstkontrollen" und mobile Vorfeldkontrollen den Grenzübertritt nachhaltig beschleunigen und die Grenzbeamten entlasten. Björn Brecht von der wieder staatlichen Bundesdruckerei wies in seinem Referat auf kommende Zeiten hin, in denen die "Selbstbedienung" an vernetzten Geräten allgemein verbreitet sein werde.

Unter diesem Gesichtspunkt waren die versammelten Forscher an den portugiesischen RAPID-Erfahrungen interessiert, von denen Rasa Karbauskaite von der europäischen Grenzschutzagentur Frontex berichtete. Sie bezog sich auf Untersuchungen der Universität der Algarve, die dem System eine False Rejection Rate (FRR) von 5,2 Prozent attestierte. Bei einem weiteren Versuch kamen die Forscher auf eine False Acceptance Rate (FAR) von 1,3 Prozent, wählten aber dafür absichtlich 448 sehr ähnlich aussehende "Gesichtspaare", die mit vertauschten Dokumenten das System austricksen sollten. Nach Angaben des Herstellers Vision Box soll die übliche FAR bei 0,03 Prozent liegen.

Besonders problematisch sollen dabei die britischen ePässe sein, weil in Großbritannien die Antragsteller ihre Bilder selbst einscannen dürfen, während das in anderen Ländern geschulte Fachkräfte vornehmen. Insofern sind die Ergebnisse nicht unbedingt repräsentativ. Denn ausgerechnet Briten und Iren, deren Länder nicht zum Schengen-Raum gehören, machen 80 Prozent der Reisenden aus, die am Flughafen Faro mittels des RAPID-Systems kontrolliert werden müssen.

Die Ungenauigkeiten der zweidimensionalen Gesichtserkennung können auf verschiedene Weise ausgeglichen werden, etwa mit der Hinzunahme der Fingerabdrücke oder mit der Nutzung dreidimensionaler Bilder, von denen das 3D Face-Projekt mit mehreren Referaten berichtete. Zwar befinden sich die Systemtests, die beim deutschen BKA sowie an den Flughäfen Berlin-Schönefeld und Salzburg im Juli gestartet wurden, noch am ganz Anfang, Jean-Marc Suchier von Sagem Sécurité bewertet die Akzeptanz aber positiv. Während die Aufnahme der Iris beim Enrollment einigen Personen unheimlich sei, werde die 3D-Fotografie akzeptiert.

Am Ende sei entscheidend, wie der Nutzer mit der Technologie umgehen kann, erklärte Heinz-Dieter Meier von der Bundespolizei. Er verwies auf einen Bericht, nach dem es immer noch sehr einfach sein soll, sich einen gefälschten Pass zuzulegen. Derzeit würden deutsche Grenzbeamte jährlich rund 7000 Fälschungen von Pässen und Visa erkennen. Meier, der sich mit neuen Möglichkeiten der Grenzkontrolle am künftigen Flughafen Berlin-Brandenburg International beschäftigt, hält ein intelligentes, gestaffeltes Warteschlangen-Management im Verbund mit einer Datenbank-gestützten Dokumentenprüfung für die beste Lösung. Mit der Speicherung von Fingerabdrücken in Pass und Visum, der Vernetzung der Grenzkontrollen mit dem Schengener Visums-Imformationssystem VIS als Whitelist sowie AFIS und SIS als Blacklist wird nach Meier ein mehrstufiges Verfahren an den Grenzen eingeführt werden. Wer bei der automatisierten oder menschlichen Gesichtskontrolle akzeptiert wird, wird durchgewunken, während die Zweifelsfälle zur Kontrolle der Fingerabdrücke gebeten werden.

(Update:) In einer Stellungnahme weist die Bundespolizei darauf hin, dass die Beschleunigung der Grenzkontrolle durch eine Datenbankabfrage beim Border Lane Management nur eine angedachte Möglichkeit ist. "Darüber kann nur der Datenschutz entscheiden -- nicht wir, die Bundespolizei", erklärte ein Referent der Bundespolizei gegenüber heise online. Er stellte auch klar, dass die Bundespolizei kein eigenes Vorgehen plane, das von den eindeutigen Vorschriften zur Grenzkontrolle im Schengener Grenzkodex abweiche. "Der Grenzkodex schreibt neben der Identitätsfeststellung auch die Fahndung und Befragung der Reisenden (eingehende Kontrolle) vor. Die Bundespolizei stellt nicht den Grenzkodex in Frage. Um die Reisenden nicht unnötig einzuschränken, sollte überlegt werden, ob die Abnahme der Fingerabdrücke nur bei ernsthaften Zweifeln in einer Second Lane erfolgen kann. In der First Lane könnte hingegen die berührungslose Gesichtserkennung hilfreich sein", so der Referent der Bundespolizei. (Detlef Borchers) / (uma)