Freie Online-Enzyklopädie Wikipedia führt "gesichtete Artikel-Versionen" ein

Was lange währt, wird endlich gut: Seit heute können in der deutschsprachigen Version der Wikipedia Artikel "gesichtet" werden. Mit der neuen Funktion will die Wikipedia-Community Vandalismen vorbeugen.

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Von
  • Torsten Kleinz

Was lange währt, wird endlich gut: Seit heute können in der deutschsprachigen Version der Wikipedia Artikel "gesichtet" werden. Mit der neuen Funktion will die Wikipedia-Community Vandalismen vorbeugen.

Die Neuerung stellt eine wesentliche Veränderung des Autorenkonzepts der Wikipedia dar. Zwar können anonyme Autoren auch weiterhin Veränderungen in Wikipedia-Artikeln vornehmen, die Ergebnisse werden jedoch in der Voreinstellung nicht sofort angezeigt. Erst wenn ein Nutzer mit Sichtungsrechten die Änderung bestätigt, wird sie auch den nicht angemeldeten Usern angezeigt.

Die Einführung in der deutschsprachigen Wikipedia ist ein Betatest. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, wie sie sich das neue Feature auf den praktischen Betrieb der Wikipedia auswirken wird und ob sich das Modell auch für andere Sprachversionen eignet. So könnte zum Beispiel die viel gerühmte Aktualität der Wikipedia darunter leiden, wenn Änderungen nicht sofort freigeschaltet werden. Sollten sich nicht genug Wikipedianer an der Versionskontrolle beteiligen, können Änderungen monatelang auf Halde liegen und nur für die sichtbar sein, die sich explizit die ungesichtete Version abrufen.

Mit der Einführung der gesichteten Artikel-Versionen wird auch eine neue Nutzer-Klasse eingeführt. Nur wer in der Benutzerdatenbank als Sichter eingetragen ist, kann den Status eines Artikels ändern. Die Berechtigung zum Kennzeichnen der Versionen bekommt jeder Wikipedianer, der sich eine gewisse Zeit an der Wikipedia beteiligt hat. Wo genau die Grenze liegt, ist noch unklar. Laut Projektinitiator Philipp Birken sollen im ersten Schritt mehr als 10.000 Wikipedianer freigeschaltet werden. Derzeit werden aber nur Wikipedia-Autoren freigeschaltet, die sich auf einer Sonder-Seite bewerben.

Um das Modell am Laufen zu halten, werden die Hürden zur Teilnahme möglichst niedrig gehalten. So sollen die Wikipedianer im ersten Schritt nur sicherstellen, dass die "gesichteten" Artikelversionen nicht von einem Vandalen verunstaltet wurden. Pro Artikel können beliebig viele Versionen als "gesichtet" gekennzeichnet werden. Die Wikipedia will mit dem neuen Modell vor allem dem Problem der Vandalismen begegnen. Immer wieder kommt die Mitmach-Enzyklopädie in die Schlagzeilen, weil unbekannte Autoren Fehlinformationen eingeschmuggelt haben – oft genug wird die Wikipedia als Plattform für Verleumdungen oder zur Werbung missbraucht.

In einer zweiten Stufe soll Wikipedia auch geprüfte Artikelversionen erhalten. Die Anforderungen sind wesentlich höher: So sollen sämtliche Aussagen in einem Artikel anhand von Sekundärliteratur überprüft werden. In einem separaten Kommentarfeld können die Prüfer genau auflisten, mit welchen Quellen sie den Inhalt eines Artikels abgeglichen haben. Ziel ist es, die Verlässlichkeit der Wikipedia-Artikel zu erhöhen.

Noch ist das allerdings Zukunftsmusik. So gibt es in der Wikipedia keine Einigkeit darüber, wer die Funktion des Prüfers ausfüllen soll. Zwar gibt es in der Wikipedia-Community zwar schon seit geraumer Zeit Fach-Redaktionen. Die sind aber sehr unterschiedlich organisiert und decken lange nicht alle Bereiche der Wikipedia ab. Auch die Übertragung dieser Prüfung auf externe Redaktionen stößt nicht auf allzu viel Gegenliebe. So wird zwar die Lexikon-Redaktion von Bertelsmann die 50.000 meist abgerufenen Artikel für eine Print-Ausgabe überprüfen und gegenlesen, um daraus ein einbändiges Lexikon zu produzieren. Diese Prüfung wird sich aber nur auf die ersten Sätze der oft sehr ausführlichen Artikel beschränken. Ob und wie die Arbeit der Bertelsmann-Redaktion an die Wikipedia zurückfließen wird, ist noch unsicher. (Torsten Kleinz) / (jk)