Demo gegen Überwachungswahn in Bayern

Eine Woche vor der Landtagswahl in Bayern übte sich die bayerische Opposition im Schulterschluss gegen die verschärften Sicherheitsgesetze im Freistaat.

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Von
  • Monika Ermert

Eine Woche vor der Landtagswahl in Bayern übte sich die bayerische Opposition im Schulterschluss gegen die verschärften Sicherheitsgesetze im Freistaat. Bei der gestrigen Demonstration "Freiheit Weiß-Blau", für die der Münchner Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung so ziemlich alle Parteien von der FDP bis zur Piratenpartei zusammengebracht hatte, wurde Bayerns Vorreiterrolle in der Überwachung scharf kritisiert. "Warum heißt Bayern Freistaat?" hieß es auf dem Plakat der FDP, "Weil Verbotsstaat doof klingt." Die Demonstration richtete sich gegen die lange Liste der Bayerischen Vorstöße zur besseren Überwachung seiner Bürger: Verschärfung des Versammlungsgesetzes, Kfz-Kennzeichen-Scanning, Bayerntrojaner, Schüler ID und die massive Ausweitung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Laut Veranstaltern nahmen bis zu 1000 Demonstranten teil, die Münchner Polizei sprach von lediglich 500.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter sagte, alle sicherheitsbezogenen Landesgesetze der vergangenen Jahre seien mit Verfassungsklagen überzogen und vom Bundesverfassungsgericht "zurechtgehobelt" worden. Noch am Freitag hatte ein breites Bündnis von Parteien und Organisationen die jüngste Verfassungsklage gegen die Verschärfung des Bayerischen Versammlungsgesetz in Karlsruhe eingelegt. Diese bringe einen Gesinnungs-TÜV für die jeweiligen Veranstalter und die Befugnis für die Polizei, auch bei Versammlungen in geschlossenen Räumen einzugreifen und die Personalien der Beteiligten festzustellen, warnte die grüne Landtagsabgeordnete Margarete Bause. Angelika Lex vom Republikanischen Anwaltsverein (RAV) berichtete, dass der Bayerische Staatsgerichtshof in einer Entscheidung bereits ein Verbot für das anlasslose Eingreifen der Polizei bei Versammlungen in geschlossenen Räumen ausgesprochen habe. Ritter sagte gegenüber heise Online, auch eine Klage gegen den Bayerntrojaner sei bei seiner Partei bereits in Vorbereitung.

Ritter und Bause erklärten die Bayerische Variante des Online-Durchsuchungsgesetzes vor allem wegen der darin enthaltenen Befugnis, im Rahmen einer Onlinedurchsuchung auch in die Wohnung des Betreffenden einzudringen, für verfassungsrechtlich unhaltbar. Auch die Erlaubnis, die Daten des überwachten Rechners nicht nur zu überwachen, sondern sogar zu manipulieren, könne verfassungsrechtlich kaum Bestand haben, warnten sie. Bause, die direkt vom Anstich des Münchner Oktoberfestes und im Dirndl zur Demonstration gegen Überwachung geeilt war, sagte: "O'zapft ist, das sollte für die Bierzelte gelten, aber nicht für unsere Daten."

Verschoben bis nach der Wahl hat die Bayerische Landesregierung die von Elternvertretern scharf kritisierten Pläne, eine Schüler ID einzuführen. Die Entwürfe dazu lägen aber bereits in der Schublade, sagte eine Elternvertreterin im Gespräch mit Heise Online.

Über die weitere Entwicklung bei Vorgehen der Bayerischen Polizei gegen Vertreter der Piratenpartei berichtete deren Pressesprecher Ralph Hunderlach. Nach der erfolglosen Hausdurchsuchung bei Hunderlach und der Beschlagnahme eines Servers bei einem weiteren Parteimitglied, wurde inzwischen auch der Unizugang des Betreffenden gesperrt. Bei der Piratenpartei, die ein Dokument über frühere "Trojaner-Einsätze" der Bayerischen Polizei veröffentlicht hatte, erwartet man nun ein juristisches Tauziehen zur Frage des Quellenschutzes. Die Aktivisten vom AK-Vorrat bereiten sich nun auf den internationalen Aktionstag gegen Überwachung am 11. Oktober vor. (Monika Ermert)/ (axv)