DLD: Verschlüsseln in einer hackbaren Welt

Alles, was an ein Netzwerk angeschlossen wird, kann gehackt werden. Alles wird an ein Netzwerk angeschlossen. Alles ist verwundbar. Auf der Konferenz DLD ging es auch um die Konsequenzen.

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Von
  • Detlef Borchers
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"Gebt uns eine Verschlüsselung, die wir Idioten auch bedienen können": Jeff Jarvis (rechts), Google-Bewunderer und Vertreter eines offenen Umgangs auch mit persönlichen Daten, im Gespräch mit Frank Rieger

(Bild: Detlef Borchers / heise online)

Die von Burda Media seit 9 Jahren kurz vor dem Herdenauftrieb zum Weltwirtschaftsforum veranstaltete DLD überraschte am ersten Tag mit kritischen Beinoten. Wo sonst Modeblogs und coole People oder dümmliche Präsentationen von Autobauern gefeiert werden, zeigte sich ein Hauch von Nachdenklichkeit: Auf Handzeichen-Aufforderung von Rod Beckstrom, derzeit der Cybersecurity-Spezialist von Samsung, bekannte die Mehrheit der ZuhörerInnen, dass Edward Snowden mit seinen Veröffentlichungen über die Machenschaften von NSA und GCHQ richtig gehandelt hat.

Beckstrom, ehemaliger Vorsitzender der ICANN, die in seiner Amtszeit wichtige Abkommen mit den USA ausgehandelt hat, brachte den aktuellen Zustand in seiner MAD MAD MAD World betitelten Rede zügig auf den Punkt: Alles, was an ein Netzwerk angeschlossen wird, kann gehackt werden. Alles wird an ein Netzwerk angeschlossen. Alles ist verwundbar. Was möglich ist, schilderte Beckstrom anhand der Cyber-Waffe Stuxnet.

Auf der positiven Seite zählte Beckstrom Firmen und Hackerorganisationen wie den Chaos Computer Club auf, die selbst Hack-Attacken von der Komplexität von Stuxnet aufklären können. Leider hinken sie nach Aussage von Beckstrom zwei bis drei Jahre hinter den eigentlichen Attacken hinterher. Damit dieses Zeitdelta geschlossen werden kann, forderte Beckstrom ein internationales "Right to Know": Regierungen müssten jährlich detaillierte Berichte über abgeschlossene Netzaktionen vorlegen, die von durch Bürger gewählte Cyberwar-Spezialisten überprüft werden.

Frank Rieger, Sprecher des CCC, forderte unter anderem, für Sicherheit im Netz zuständige Institutionen der Regierungskontrolle zu entziehen und in öffentlich-rechtliche Körperschaften zu überführen

(Bild: Detlef Borchers / heise online)

Richtigen Auftrieb bekam das Thema, als anschließend CCC-Sprecher Frank Rieger mit dem US-amerikanischen Journalisten und Google-Bewunderer Jeff Jarvis zu einem "Fireside-Talk" antrat. Das Feuerchen brannte nicht, doch umso mehr legte sich Rieger ins Zeug. Regierungen lögen permanent, umso wichtiger sei es, sie zur Transparenz zu zwingen. Gefragt, was denn helfen könnte, antwortete Rieger mit der Richtlinie, dass jeder jederzeit alles, was immer möglich ist, verschlüsselt dem Internet anvertrauen müsse. Allerdings sei die Technik der Verschlüsselung noch nicht über das "Dampfmaschinenzeitalter" hinaus.

Diese Aussage bewegte Jeff Jarvis zu einer inständigen Bitte: "Gebt uns eine Verschlüsselung, die wir Idioten auch bedienen können – und vielleicht noch eine ordentliche Anleitung, die Anonymität zu wahren." In der Antwort bekannte Rieger, dass er mit seinen Freunden erst einmal an einer sicheren Methode arbeite, die jeweiligen (öffentlichen) Schlüssel auszutauschen. Insgesamt sei er in der letzten Zeit leicht optimistisch geworden, den Krieg doch noch gewinnen zu können. Damit der Gewinn an Sicherheit dauerhaft ist, forderte Rieger, dass viele zuständige Regierungsorganisationen (wie etwa in Deutschland das BSI) weg von der Regierungskontrolle in öffentlich-rechtliche Körperschaften überführt werden müssen.

Einen herben Dämpfer bekam die lebendige "Unterhaltung am Kamin", in der sich Jeff Jarvis für die USA entschuldigen wollte, als sie jäh für die Verleihung des Aenne-Burda-Awards abgebrochen wurde. In diesem Jahr erhielt ihn die EU-Kommissarin Viviane Reding.

In ihrer Dankesrede forderte Reding nicht nur Frauen zu einem größeren Engagement in der Politik auf. "Ich glaube an ein freies Internet. Ich glaube daran, dass wir das freie Intenet schützen müssen und mehr Transparenz brauchen. Deshalb muss die Datenschutzreform in der EU zu Ende geführt werden." Danach ging Reding lobend auf die Rede von US-Präsident Obama ein. Seine als präsidialer Erlass besonders gewichtete Reform sei ein wichtiges "agreement for the people". (jk)