Gutachten: Britische Überwacher könnten sich der Beihilfe zum Mord schuldig machen

Ein britischer Abgeordneter hat bei zwei angesehenen Anwälten ein Rechtsgutachten zu den Überwachungsprogrammen seines Landes angefordert. Das kommt nun zu klaren Schlussfolgerungen und findet mehrere Praktiken illegal.

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Laut einer juristischen Analyse für das britische Parlament sind die enthüllten Überwachungspraktiken des Geheimdiensts GCHQ illegal und verstoßen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Für das Gutachten haben Kronanwältin Jemima Stratford und Anwalt Tim Johnston fünf Szenarien überprüft, die den Dokumenten des Edward Snowden zufolge, tatsächlich geschehen. Dabei ging es um die massenhafte Überwachung und wie die den Vereinigten Staaten bei ihrem Drohnenkrieg hilft.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Zuerst prüften die beiden Anwälte, ob es dem britischen Auslandsgeheimdienst GCHQ erlaubt ist, massenhaft britische Kommunikation abzufangen, die durch Unterseekabel läuft. Das heißt entweder Kommunikation zwischen zwei Briten, oder zwischen einem Briten und dem Ausland. Nach dem Abwägen verschiedener Argumente kommen sie zu dem Schluss, das beides ungesetzlich ist. Dabei formulieren sie auch interessante Zwischenergebnisse. So schreiben sie, die immer wieder vorgebrachte Unterscheidung zwischen Kommunikationsinhalten und Verbindungsdaten stamme aus einer anderen Zeit und erscheine inzwischen "zunehmend künstlich".

Auch zur Speicherung von einmal gesammelten Daten äußern sich die Anwälte kritisch. Wenn der GCHQ erst einmal an die Informationen gelangt sei und dabei rechtmäßig gehandelt habe, gebe es für die Durchsuchung keinerlei Grenzen. Solch eine Regelung dürfte aber vor einem Gericht nicht bestehen, genüge es doch nicht dem Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Schließlich sollten die Anwälte analysieren, ob es dem GCHQ erlaubt sei, abgegriffene Daten an eine ausländische Organisation wie die NSA weiterzugeben. Dabei prüften sie nicht nur die rechtlichen Grundlagen, sondern spekulierten auch darüber, wie der Datentausch in der Praxis abläuft. Ihrer Meinung nach gebe es die "reale Möglichkeit", dass die NSA für den GCHQ wie ein inoffizielles Backup funktioniert. Alles was nicht behalten werden darf, sende man an die Amerikaner und wenn man es benötige, bekomme man eine Kopie. Ihre Bedenken jedenfalls könnten nur ausgeräumt werden, wenn Abkommen zwischen den USA und Großbritannien über den Datenaustausch öffentlich wäre.

Außerdem widmet sich das Gutachten der Weitergabe von Daten an die USA, die dort für Drohnenangriffe benutzt werden. Sollten diese außerhalb eines konventionellen Konfliktgebiets durchgeführt werden und sich nicht gegen "anerkannte Kämpfer" richten, wären sie nach britischen Recht gesetzeswidrig. Deswegen mache sich ein Brite, der davon wisse und trotzdem Daten weitergebe, vermutlich der "Beihilfe zum Mord" schuldig, schreiben sie unmissverständlich.

Die Anwälte haben das Gutachten eigentlich für Tom Watson, den Vorsitzenden des Drohnenausschusses vorgesehen. Der habe es aber auch gleich an den Ausschuss weitergeleitet, der sich im britischen Parlament mit den enthüllten Überwachungsprogrammen beschäftigt, berichtet der Guardian.

Der Ausschuss habe betont, nun hätten die Abgeordneten eine starke unabhängige Meinung, in der die Rechtmäßigkeit der britischen Überwachung angezweifelt werde: "Wenn Minister bereit sind, GCHQ-Mitarbeiter zu Mordkomplizen zu machen, müssen sie das auch deutlich machen."

Siehe dazu auch auf Telepolis:

(mho)