Europarat berät über E-Democracy

In Madrid haben sich Delegierte der 47 im Europarat vertretenen Staaten getroffen. Diskutiert wurde u.a. über Initiativen zu Internet-Wahlen. Generalsekretär Terry Davis verriet heise online, dass ihm die zunehmende Überwachung der Bürger Sorgen bereitet.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

In Madrid endet in diesen Stunden das dreitägige "Forum for the Future of Democracy", eine jährlich vom Europarat (Council of Europe) einberufene Konferenz, an der rund 500 Vertreter aus insgesamt 47 Staaten teilnehmen, die dem Europarat angeschlossen sind. Zudem waren Vertreter von Staaten anwesend, die einen sogenannten Beobachterstatus beim Europarat haben, darunter Mexiko, Kanada und die USA. Dieses älteste paneuropäische Staatenbündnis – nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat oder dem Rat der Europäischen Union – ist keine "supranationale" Einrichtung, an die Mitgliedsstaaten teilweise weitreichende Souveränitätsrechte abgeben, vielmehr handeln die Mitglieder des Rats völkerrechtlich verbindliche Abkommen aus, die den wirtschaftlichen, sozialen und rechtsstaatlichen Fortschritt in Europa fördern sollen.

Dass es unter den Mitgliedern aber nicht immer friedlich zugehen muss, zeigte sich etwa bei den jüngsten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Georgien und Russland – beides Staaten, die dem Europarat angeschlossen sind. Mit solchen eklatanten Verletzungen der Charta des Europarats ist beispielsweise Weißrussland nicht belastet – dem Land wird die Aufnahme in den Council of Europe aber wegen Verstößen gegen Menschenrechte und demokratische Grundsätze noch verweigert. Eines der jüngsten Mitglieder des Europarats ist im Übrigen Monaco. Dass das kleine Fürstentum lange auf eine Aufnahme warten musste, lag nicht zuletzt daran, dass in der Formel-1-Hochburg zwar Ausländer leben und Steuern zahlen dürfen, ausländische Arbeitskräfte früher aber ausschließlich aus Frankreich rekrutiert werden durften.

Der österreichische Delegierte Robert Krimmer informierte in Madrid über die laufenden E-Voting-Projekte in der Alpenrepublik.

(Bild: heise online)

Im Municipal Congress Centre nahe der Messe von Madrid drehte sich seit Mittwoch nahezu alles um den Buchstaben "E": E-Democracy, E-Participation, E-Inclusion, E-Campaigning, E-Voting. Der Europarat engagiert sich schon seit geraumer Zeit dafür, die Errungenschaften der elektronischen Kommunikation insbesondere auch für eine stärkere Einbindung der Bürger in demokratische Prozesse zu nutzen. Dies können etwa unabhängige Informationen über Parteien und Politiker (beispielsweise in Form des Wahlomats oder von Abgeordnetenwatch.de) sein, die Implementierung von Wissensdatenbanken, die Förderung des Dialogs zwischen Staat und Bürger über das Internet, aber auch die Einführung oder weitere Umsetzung von Online-Wahl-Projekten. Doch gerade hier zeigte sich in Madrid, dass die euphorische Begeisterung für Online-Wahlen oder Projekte, bei denen per Computer im Wahllokal gewählt wird, einen starken Dämpfer erhalten hat. Zwar stimmten die Vertreter der einzelnen Staaten am gestrigen Donnerstag einstimmig dafür, die im Jahr 2004 veröffentlichten Empfehlungen des Europarats zu Standards beim E-Voting vorerst nicht zu überarbeiten. Aber die im Zusammenhang mit dem Einsatz von Elektroniksystemen bei Wahlen immer wieder auftretenden Sicherheitsprobleme und Manipulationsmöglichkeiten haben offensichtlich prägenden Eindruck hinterlassen.

Auf den Punkt brachte es der Vertreter Bulgariens mit einem Zitat, das Josef Stalin zugeschrieben wird: "Es ist nicht wichtig, wer wählt, es ist wichtig, wer zählt und wie." Solange in der Bevölkerung kein Vertrauen in eine Technik bestehe, die der Bürger sowieso nicht nachvollziehen könne, müsse man sehr vorsichtig mit der Einführung von Online-Wahlsystemen sein. Unterstützung kommt dabei auch vom Generalsekretär des Europarats, Terry Davis. Der in diesem Jahr 70 gewordene Brite, grundsätzlich Förderer einer positiv ausgerichteten E-Democracy-Linie, erklärte im Gespräch mit heise online, dass seine instinktive Grundhaltung bei solchen Dingen immer erst einmal Misstrauen sei. "Ich glaube an Privatsphäre und bürgerliche Freiheiten und ich habe große Vorbehalte gegenüber einer zunehmenden Überwachung ", verdeutlichte Davis, dem nicht zuletzt der Überwachungswahn und die zahlreichen Datenskandale in seinem Heimatland Großbritannien große Sorge bereiten.

Mehr zum "Forum for the Future of Democracy" des Europarats und zum Interview mit Generalsekretär Terry Davis bringt c't in der kommenden Ausgabe 23/08 (ab Montag, den 27. Oktober, im Handel). (pmz/c't) / (jk)