c't: Argumente für Internet-Sperren sind fragwürdig

Angebliche Fakten, die Familienministerin von der Leyen stets anführt, erweisen sich bei näherer Analyse als nicht belegbar, berichtet das Computermagazin c't in seiner kommenden Ausgabe 9/09.

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Von
  • Holger Bleich

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen gründet ihr umstrittenes Vorhaben zur Errichtung von Kinderpornografie-Sperren im Internet auf fehlinterpretierte Statistik. Die angeblichen Fakten erweisen sich bei näherer Analyse als nicht belegbar, berichtet das Computermagazin c't in seiner kommenden Ausgabe 9/09 (ab Dienstag, den 14. April im Handel).

Den dringenden Handlungsbedarf leitet die Familienministerin unter anderem aus der drastischen Zunahme der Kriminalität auf diesem Gebiet ab, die das Bundeskriminalamt (BKA) gemeldet haben soll. c't hat die Zahlen hinterfragt und festgestellt, dass sie keine Aussagekraft für die politische Debatte haben. In der oft zitierten Statistik erfasst das BKA jede Ermittlung bei einem Anfangsverdacht, sie besagt nichts über die Zahl der schlussendlich nachgewiesenen Straftaten.

Für die Fallzahlensteigerung zwischen 2006 und 2007 gibt es viele Gründe, beispielsweise die bessere Ausbildung und Ausstattung der Ermittler. Dass sich das Problem tatsächlich verschärft hat, ist dagegen eher unwahrscheinlich. So waren im Jahr 2007 im Zug einer einzigen Polizeiaktion, der Operation Himmel, 12.000 Bürger in Verdacht geraten, von denen nun viele in der Fallstatistik stehen. In mehreren Bundesländern ist der größte Teil dieser Fälle unterdessen ad acta gelegt worden, ohne dass sich der Verdacht bestätigt hätte. Bisher wurde keine einzige Verurteilung bekannt.

Auch die anderen Argumente von der Leyens erwiesen sich als nicht stichhaltig, so c't: Die geplanten Internet-Sperren seien leicht zu umgehen. Sie würden nicht dazu führen, dass organisierte Kinderpornohändler weniger Geld verdienen. Erfahrungen aus skandinavischen Ländern, die solche Sperren bereits eingeführt haben, bestätigen dies. Gehandelt wird das grauenhafte Material nämlich längst fast ausschließlich in geschlossenen Zirkeln im Internet.

Allen Bedenken zum Trotz treffen sich am 17. April fünf große Zugangsprovider mit der Familienministerin, um auf freiwilliger Basis Verträge zu unterzeichnen. Die Unternehmen verpflichten sich damit, nach Vorgaben des BKA Kinderporno-Seiten auf ausländischen Servern zu blockieren. Dabei dürfte es sich um die bereits genannten Provider Deutsche Telekom, Vodafone/Arcor, Hansenet/Alice, O2 und Kabel Deutschland handeln. Andere Anbieter wie 1&1 oder Freenet beharren bisher darauf, eine gesetzliche Grundlage für die Sperrmaßnahmen zu verlangen.

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(hob)