Bayern will Onlinedurchsuchungen auch bei schweren Straftaten

Der Freistaat hat einen Antrag im Bundesrat gestellt, mit dem heimliche Online-Durchsuchungen in der Strafprozessordnung verankert und bundesweit zur Bekämpfung besonders schwerer Straftaten herangezogen werden sollen.

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Bayern hat im Bundesrat einen Antrag gestellt, mit dem heimliche Online-Durchsuchungen in der Strafprozessordnung (StPO) verankert und zur Bekämpfung besonders schwerer Straftaten herangezogen werden sollen. Einen entsprechenden Vorstoß hatte die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) im April angekündigt. Der Straftatenkatalog, bei dem die bislang bundesweit nur im Anti-Terrorbereich geplante Maßnahme eingesetzt werden kann, soll analog zum großen Lauschangriff ausgestaltet sein. Im entsprechenden Paragraphen 100 c StPO, geht es nicht nur um Verbrechen gegen Leib, Leben, Freiheit, den Bestand des Staates oder die menschliche Existenz. Vielmehr sind dort auch Verbreitung, Erwerb und Besitz von Kinderpornographie, die Bildung krimineller Vereinigungen, Geldfälschung oder Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz angeführt.

Den konkreten Gesetzesentwurf wollen die Bayern am kommenden Freitag in der Plenarsitzung der Länderkammer vorstellen. Aus den bislang veröffentlichten Erläuterungen zur Tagesordnung (PDF-Datei) geht hervor, dass in die StPO ein neuer Paragraph 100 k eingefügt werden soll. Danach dürften Ermittler bundesweit beim Verdacht auf eines der in 100 c aufgeführten Vergehen und keiner anderen Möglichkeit der Erforschung des Sachverhalts "auch ohne Wissen des Betroffenen mit technischen Mitteln auf Computersysteme" zugreifen, um gespeicherte Daten oder Zugangsinformationen zu erheben. Entsprechende verdeckte Online-Durchsuchungen seien von einem Richter anzuordnen.

Zur Begründung heißt es, dass mit dem Einsatz des "Bundestrojaners" bei der regulären Strafverfolgung eine "verbesserte Aufklärung von Täter- und Tatstrukturen" erreicht werden könne. Nach Ansicht Bayerns würden die herkömmlichen Mittel der Verbrechensaufklärung wie zum Beispiel die offene Beschlagnahme von Computern und Festplatten wegen der ständigen Professionalisierung des Kommunikationsverhaltens Krimineller nicht mehr ausreichen. Die Vertreter des Freistaats im Bundesrat versichern zudem, dass sich der Entwurf an den Vorgaben des Bundesverfassungsrechts zum allgemeinen Schutz des Persönlichkeitsrechts sowie des neuen Grundrechts auf Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen bei heimlichen Online-Durchsuchungen orientiere.

Die bayerische Landesregierung will im eigenen Land Online-Razzien im präventiven Bereich der Gefahrenabwehr sowohl im Polizei- als auch im Verfassungsschutzgesetz festschreiben. Dabei ist ein Sonderweg geplant. Anders als bei der Einigung im Bund über das geplante Ausspähen informationstechnischer Systeme durch das Bundeskriminalamt (BKA) zur Terrorabwehr sollen Polizei und Geheimdienste im Freistaat für die Installation der benötigten Spionage-Software auch in Wohnungen Verdächtiger eindringen dürfen. Es geht den Bayern so um das "volle Ausschöpfen der Möglichkeiten des Bundesverfassungsgerichts-Urteils".

Die heftig umkämpfte Novelle des BKA-Gesetzes wird von ihren Befürwortern häufig mit dem Argument verkauft, dass es auf dieser Basis allein zu "zehn bis zwölf" Online-Durchsuchungen pro Jahr komme. Mit einem Einbau des nach Meinung seiner Gegner tief in die Grundrechte einschneidenden Instruments in die StPO wäre dagegen mit einem deutlich häufigeren Einsatz des Bundestrojaners zu rechnen. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, machte vor kurzem klar, dass es sich bei der BKA-Reform um ein "Referenzgesetz" mit Vorbildfunktion für viel andere Bereiche handle. Über die Einführung der Maßnahme etwa in die StPO wolle er aber erst nach der Verabschiedung der neuen BKA-Befugnisse reden. Das Bundesjustizministerium prüft derweil den Sinn eines eigenen Vorstoßes in Richtung Strafprozessordnung. (Stefan Krempl) / (vbr)