Huawei und der Snowden-Effekt

Lange haben US-Behörden aus Sorge um Spionage versucht, chinesische IT-Unternehmen aus dem amerikanischen Markt herauszuhalten. Seit der Enthüllung der NSA-Überwachung sinkt nun der Absatz von US-Konzernen in China.

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Von
  • Antonio Regalado

Lange haben US-Behörden aus Sorge um Spionage versucht, chinesische IT-Unternehmen aus dem amerikanischen Markt herauszuhalten. Seit der Enthüllung der NSA-Überwachung sinkt nun der Absatz von US-Konzernen in China.

Das Leben als IT-Vertriebler kann schon schwer sein. Jedenfalls, wenn man für den Konzern Huawei arbeitet. Der US-Vertreter kann zwar Telekommunikationsausrüstung mit einem Preisnachlass von 35 Prozent anbieten. Doch jedesmal, wenn der Verkauf fast perfekt ist, bekommen die Kunden Besuch – vom FBI oder dem US-Handelsministerium.

Deren Vertreter überbringen eine schlichte Botschaft: Kauft das Zeug woanders ein.

Huawei ist ein Schwergewicht der Telekommunikationsbranche, sein Weltmarktanteil liegt bei 20 Prozent. Was die US-Behörden stört, ist, dass Huawei ein chinesischer Konzern ist. Die Drohungen haben Wirkung gezeigt: Auf dem US-Markt bekommt der Konzern bislang kein Bein auf den Boden, der Marktanteil bei optischem Equipment dümpelt bei 1,4 Prozent, der bei Routern gar bei 0,1 Prozent.

Doch nun könnte sich die Angelegenheit umkehren – Firmen in China und anderen Ländern erwägen zunehmend, auf amerikanische IT-Produkte zu verzichten. Der Grund sind die Enthüllungen über die Überwachung der NSA und anderer US-Geheimdienste. Schon ist die Rede vom „Snowden-Effekt“, der für geplatzte Deals, schlechte Geschäftsaussichten und zunehmende Ungewissheit unter US-Firmen steht.

Ren Zhengfei kennt diese Probleme gut. 1987 gründete der ehemalige Offizier seine Firma Huawei. Mit wachsendem Erfolg kam die internationale Expansion, die vor allem in den USA mit Argwohn betrachtet wurde. Als Huawei den Netzwerkausrüster 3Com übernehmen wollte, legte eine Handelskommission der US-Regierung ihr Veto ein. Sie hatte die Übernahme als nationales Sicherheitsrisiko eingestuft. Aber auch US-Firmen waren skeptisch. Cisco Systems, ein direkter Konkurrent, listete in Präsentationen Gründe auf, warum man sich vor Huawei in Acht nehmen müsse.

2012 erreichte der chinesische Konzern dann immerhin, dass sich das Intelligence Committee des Abgeordnetenhauses mit der Problematik beschäftigte und einen Report verfasste. Der konnte keine harten Beweise dafür vorlegen, dass Huawei die amerikanische Wirtschaft ausspähe. Eine Mahnung, chinesische Firmen in Nordamerika sollten genau beobachtet werden, fügten die Autoren des Reports dennoch an.

Der Grund für die Bedenken war die Möglichkeit, dass die chinesische Regierung mit Hilfe der Ausrüstung von Huawei, auch ohne dessen aktive Mitarbeit, doch Spionage betreiben oder sich gar Vorteile in einem Cyberwar verschaffen könnte. Huawei wies diese Vorwürfe zurück und beschwerte sich über eine „Diskriminierung“.

Doch genau das, was die US-Politik China und Huawei unterstellt hatte, erweist sich nun durch Edward Snowdens Enthüllungen andersherum als Realität. Dokumente zeigen, dass die NSA wohl Router der US-Hersteller Cisco und Juniper kompromittiert hat – und auch die von Huawei. Auch soll sie dafür gesorgt haben, dass nur eine schwache Verschlüsselung eingesetzt wird, deren Chiffren leicht zu knacken sind.

Sämtliche Firmen, die in den Dokumenten genannt werden, haben etwaige Hintertüren in ihren Produkten zurückgewiesen. Doch der Snowden-Effekt hat bereits eingesetzt: Im Dezember gab Cisco bekannt, dass der Absatz in China signifikant zurückgegangen sei. „Aufgrund der Vorwürfe werden Kaufentscheidungen noch einmal überdacht“, sagte Robert Lloyd, Präsident für Entwicklung und Vertrieb bei Cisco, vor Investoren. Auch IBM meldete ein Absatzminus von 40 Prozent im Gefolge der Enthüllungen.

Huawei-Gründer Ren Zhengfei.

Bei Huawei könnte man angesichts dessen eine gewisse Genugtuung verspüren. Doch die will sich nicht einstellen, denn die Verkäufe in den USA verharren auf demselben niedrigen Niveau. „Es gibt ein allgemeines Misstrauen, und jetzt haben wir den Beweis“, sagt William Plummer, von Washington aus für die Außenbeziehungen von Huawei zuständig. Wie es aussieht, sind die Geräte sämtlicher Hersteller anfällig. „Wir weisen darauf schon seit Jahren hin“, sagt Plummer.

Huawei hat in mehreren White Papers Vorschläge gemacht, wie sich das gegenwärtige Sicherheitsproblem entschärfen ließe. Dazu gehören gemeinsame Standards und vielleicht sogar Sicherheitschecks durch Dritte. James Lewis, Analyst beim Center for Strategic and International Studies, beschreibt die Aufgabe so: Man müsse nun „ein vertrauenswürdiges Netzwerk aus nicht vertrauenswürdigen Komponenten“ aufbauen.

Das größere Problem dürfte aber sein, dass die derzeitige Vertrauenskrise den Protektionismus befördert. „Seit den Anfangstagen des Internets hat es einen im Großen und Ganzen offenen Wettbewerb gegeben“, sagt Lewis. Den hätten die Firmen für sich entschieden, die die beste Arbeit geleistet hätten – unabhängig von ihrem Herkunftsland.

Die Sicherheitsbedenken könnten nun dazu führen, dass ausländische Konkurrenten außen vor bleiben und die Regierungen dazu übergingen, nationale Industrien zu stärken oder aufzubauen. "Unterm Strich wird das negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben“, ist sich Lewis sicher.

(nbo)