1&1 hält Vertrag zu Kinderporno-Sperren weiter für unzureichend

Der Provider aus Montabaur hat die Behauptung von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen dementiert, eine Selbstverpflichtung für Web-Blockaden unterzeichnen zu wollen, auch Freenet hält an seiner Kritik fest.

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Die 1&1 Internet AG hat die Behauptung von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) zurückgewiesen, ähnlich wie fünf große andere Zugangsanbieter einen Vertrag zum "freiwilligen" Sperren kinderpornographischer Seiten unverändert unterschreiben zu wollen. Bei dieser Ansage handle es sich um eine "gewagte Interpretation der Ministerin", erklärte ein Sprecher des Providers aus Montabaur gegenüber heise online. Man habe das Ressort vielmehr gebeten, eine der unterzeichneten Vereinbarungen zuzusenden, um diese prüfen zu können. Selbstverständlich könne man keinen Vertrag unterzeichnen, solange dessen Inhalt nicht bekannt sei. Die Anbieter, die von der Leyen bereits ins Boot geholt hat, haben über den Inhalt der Selbstverpflichtungen mit dem Bundeskriminalamt (BKA) Stillschweigen vereinbart.

In einem Schreiben von 1&1 an das Familienministerium ist davon die Rede, dass der Provider eine entsprechende Vereinbarung "wenn möglich" kurzfristig unterschrieben zurücksenden wolle. Der inzwischen vorgelegte Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Zugangserschwernis kinderpornographischer Inhalte in Kommunikationsnetzen hat den Anbieter nach eigenen Angaben aber in seiner Auffassung bestärkt, dass eine rein vertragliche Lösung nicht ausreichend sein könne.

Heftige Kritik an der Vereinbarung hat auch der Online-Vorstand von Freenet, Eric Berger, gegenüber den "Kieler Nachrichten" geübt. "Um die geplante Sperre durchführen zu können, müssen wir den gesamten Internetverkehr, den unsere Kunden produzieren, scannen, filtern und anschauen, um danach technisch eine Entscheidung zu treffen, ob es sich um erlaubten oder nicht erlaubten Traffic handelt", betonte der Manager. "Dieses Verfahren steht heute im Widerspruch zu den existierenden Gesetzen." Ein zusätzliches Gefahrenpotenzial drohe durch die im Kabinettsentwurf vorgesehene Möglichkeit, zusätzlich Zugriffsdaten aufzuzeichnen.

Laut dem Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur initiiert der Berliner Vorstoß eine "grundgesetzwidrige Internet-Zensur-Infrastruktur unter Kontrolle des BKA". Die Sperr-Regelungen würden allein dem Telemediengesetz (TMG) angefügt, sodass sie leicht auf andere Inhalte ausgedehnt werden könnten. Die geheime Filterliste der Polizeibehörde unterliege ferner keiner rechtsstaatlichen Kontrolle. Kriminellen böten sich ganz neue Möglichkeiten, Unschuldige in den Verdacht des Konsums kinderpornographischer Darstellungen zu bringen. Im Internet kursierten bereits Anleitungen, wie böswillige Netzbürger anhand des Regierungsvorstoßes unbedarfte Surfer als vermeintlichen Kinderporno-Nachfrager abstempeln könnten. Dafür sei es nur nötig, einen verklausulierten Link auf die geplante Stopp-Seite zu verbreiten und damit eine mögliche Aufzeichnung der Nutzerspuren anzustoßen.

Indymedia meldet unterdessen, dass in Belgien die Staatsanwaltschaft die Seite "Stopkinderporno.be" dicht gemacht hat. Über das Angebot konnten Interessierte gebührenpflichtig ein Verzeichnis mit Privatadressen verurteilter Kinderschänder erwerben und auskundschaften, ob in ihrer Nachbarschaft Pädophile leben. Zuvor war berichtet worden, dass die Seite versehentlich auf der Filterliste der belgischen Polizei gelandet sei.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)